Nicola Schäfer: von der OGS-Hilfskraft zur Einrichtungsleiterin

Nicola Schäfer:

 Berufliche Weiterentwicklung 1993 - 2017. Nicola Schäfer: von der OGS-Hilfskraft zur Einrichtungsleiterin.

Kinderlachen statt Sportschuhquietschen

Leuchtende Kinderaugen lassen sie mitlächeln. Von anderen Jobs hatte sie schon nach der Ausbildung genug. Von der Apothekenhelferin über die Aerobictrainerin bis hin zur Studioleiterin – Nicola Schäfer durchlief einige Stationen, bis sie ihren Traumberuf fand. Heute leitet sie eine Kindertagesstätte – und freut sich auf jeden neuen Tag.

Auf einem Tisch in ihrem Büro steht eine Schale mit Muscheln. Herzmuscheln, Venusmuscheln, Miesmuscheln. Die hat sie im Urlaub gesammelt, um sie den Kindern zu zeigen. „Manche von ihnen kennen keine Muscheln. Sie waren noch nie am Strand.”

Heute dringen vom Hof Kinderstimmen herein. Vor der Tür trippeln Füße vorbei. Nicola Schäfer sitzt in ihrem Büro in der Kindertagesstätte „Am Poeten” in Gevelsberg. Die Kinderbetreuung findet vorübergehend in Containern statt – das Gelände auf der anderen Straßenseite wird noch bebaut.

„Wir hoffen, dass wir im Oktober in den Neubau einziehen können”, sagt Schäfer. Seit August 2017 leitet sie die KiTa. „Wir haben als Team komplett neu angefangen und mussten alle Kinder auf einen Schlag eingewöhnen”, erklärt sie. „Das ist schon eine Herausforderung, aber es läuft echt gut.” Sie öffnet die Tür ihres Büros und geht durch ein kleines Holztörchen auf den Flur.

Ihre Ausbildung zur Apothekenhelferin schloss Nicola Schäfer 1991 ab. „Das war dann allerdings nicht so meins.” Weiter ging es für sie als Aerobictrainerin und Leiterin eines Fitnessstudios. Eine Freundin brachte sie dann auf einen Integrationskindergarten der AWO. Ohne pädagogische Ausbildung konnte sie dort als Ergänzungskraft arbeiten.

Als ihr Sohn im Jahr 2001 zur Welt kam, nahm sie Erziehungsurlaub. „Das war auch schön, mal zwei Jahre zu Hause und Zeit für das eigene Kind zu haben.” Ihr Blick schweift ab. „Als ich dann wieder angefangen habe zu arbeiten, ganztägig und mit Kind – das war schon hart.”

Bald stellte sich ihr eine neue Hürde in den Weg: Ab 2008 durfte Schäfer wegen des neuen Kinderbildungsgesetzes ohne fachbezogene Ausbildung nicht mehr in einem Kindergarten arbeiten. „Ich war keine Kinderpflegerin, keine Erzieherin, keine Sozialpädagogin, also gab es für mich keine Chance.” Für zwei Jahre arbeitete sie in der Betreuung einer Grundschule. „Die habe ich dann auch zeitweise kommissarisch geleitet”, erklärt Schäfer. „Trotzdem bin ich an eine andere Schule gewechselt, weil ich es sehr erfüllend finde, in einem großen Team zu arbeiten”. Mit vielen Gedanken und Blickwinkeln könne man bessere Ideen entwickeln als zu zweit oder zu dritt.

Schäfer steht mit ein paar Kolleginnen auf dem Hof und flechtet einem Mädchen die Haare. Als sie fertig ist, wendet sie sich den anderen Erzieherinnen zu. „Lasst uns ein Teamfoto machen!”

Doch an ihrem Ziel angekommen war Nicola Schäfer mit der Arbeit in der Grundschule noch nicht. Durch eine Aufbauqualifizierung, die AWO-Teilzeitakademie, kam ihr 2014 die Idee, doch noch die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin zu absolvieren. „Davor dachte ich: ‚Mein Gott, du bist ja so alt, du kannst das bestimmt nicht mehr‘.” Die 45-Jährige lacht. Neben der Ausbildung arbeitete sie weiterhin in der offenen Ganztagsschule. „Das war eine ganz tolle Zeit, weil wir dort viele verschiedene Menschen waren – sowohl jünger als auch älter als ich.” Anschließend bekam sie die Leitungsstelle in der KiTa am Poeten. Dort sind 13 Erzieher im Schichtdienst für 72 Kinder zuständig.

Während Schäfer erzählt, hält sie einem Kind ein Holzspielzeug hin. „Toll machst du das!”, sagt sie und das Kind strahlt.

kinder

Zweifel und Motivation

Die Zeit während der Ausbildung sei „eine super Zeit, mit Höhen und Tiefen, aber auch teils schwierig” gewesen. „Ich hatte oft ein schlechtes Gewissen meiner Familie und meinen Freunden gegenüber und hatte drei Jahre lang definitiv keine Freizeit.” Positiver Nebeneffekt: Ihr Sohn war motivierter sein Abitur zu machen. „Da hat er gesehen, dass Mama auch dasitzt und pauken muss und ihr nicht alles zufliegt”, sagt sie und lacht.

Angetrieben habe sie immer die Vorstellung, ihre eigenen Visionen und Ansichten leben und verwirklichen zu können. Als Ergänzungskraft gelang ihr das nicht: „Man ist das letzte Glied in der Kette: Egal wie gut die Arbeit ist, oder was für Projekte daraus erwachsen, oder wie sehr man sich einsetzt – eigentlich schreiben sich andere Leute das dann auf das Fähnchen.” Die Arbeit im Kindergarten biete ihr Freiheit: „Hier legen wir die Grundsteine. In der OGS sind die Zeitfenster so klein, dass das oft sehr frustrierend ist.”

Erziehung als Erfüllung

Durch die Leitungsfunktion seien die erzieherischen Tätigkeiten weniger und die Bürokratie mehr geworden. „Zwischendurch fehlen die Kinder mir, aber ich habe ja die Möglichkeit hinzugehen.” Ob die Mohnblumen, Löwenzähne, Sonnenblumen oder Gänseblümchen – regelmäßig besucht sie die Kindergruppen oder hilft aus. „Ich möchte einfach den Bezug zu denen nicht verlieren. Wenn es mal Gespräche gibt oder die Kollegen ein Problem haben, muss ich ja auch wissen, worüber sie sprechen.” Schäfers Blick wird ernst. „Damit ich mich überhaupt einfühlen kann. Sonst wäre ich ja ganz weit weg und das möchte ich auf keinen Fall.”

Wichtig sind ihr auch Integration und Inklusion. Die sind Bestandteil des Alltags: Es gibt Kinder mit Behinderungen und Kinder aus vielen verschiedenen Herkunftsländern. „Wir finden es toll, diese Kulturen alle zusammen zu erleben und das auch den Kindern mitzugeben.” Nicola Schäfers Augen strahlen vor Enthusiasmus. „Weil unsere Welt nicht schwarz und weiß ist, sondern total bunt.” Das schätze sie auch an ihrem Arbeitgeber, der AWO: „Ich finde die AWO ist vorurteilsfrei. Erstmal wird der Mensch gesehen – und nicht die Religion, Kultur, oder sonst irgendwelche Dinge.”

Mit der Arbeit im Kindergarten hat Nicola Schäfer einen Beruf gefunden, der sie erfüllt. „Ich finde es aufregend, spektakulär, toll und mir gibt das ganz viel.”

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Autoren
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, Katharina Hollstein und Jule Opp