Kunst mit Herz. Im Porträt: Hermann Spanier

Hermann Spanier

Hermann Spanier ist Künstler, sozial engagiert und seit 60 Jahren Mitglied der Arbeiterwohlfahrt in Münster. 

Wie Feuer auf Wasser

Ehrenamtliche Arbeit als stellvertretender Ortsvereinsvorsitzender des AWO OV Münster-Mitte, gleichzeitig hauptberufliche Tätigkeiten für die Arbeiterwohlfahrt in Münster und trotzdem genug Zeit, zu Hause sein aktuelles Gemälde fertig zu stellen: Für Hermann Spanier seit fast 60 Jahren Alltag. Dabei ist seine Karriere durch viele verschiedene Lebensabschnitte gekennzeichnet und so machen wir uns auf eine spannende Reise durch das Leben eines Künstlers.

Hinauf die von Gemälden umsäumte Treppe in den ersten Stock - vorbei an bunten sowie schwarz-weißen Portraits und Landschaftsmalereien. Schon hier oben riecht es nach altem Holz und Stoff. Die Holzdielen knacken unter dem eigenen Gewicht, die Decke ist nicht besonders hoch. 

Der kleine Flur ist mit vielen kleinen Gemälden in verschiedenen Holzrahmen behangen. Biegt man rechts ab, betritt man das Herz des Hauses. Mehrere hundert Portraits, Postkarten, Zeichnungen, Gemälde und Ausstellungsflyer lassen an den Wänden und der Dachschräge fast keinen weißen Fleck mehr durchscheinen. In die Nase steigt ein Geruch von getrockneter und frischer Farbe. Ein modriger Geruch von altem, bereits vergilbtem Papier und vielen alten Büchern im großen Bücherregal an der rechten Wand liegt in der Luft.

Mitten in dem kleinen Raum sitzt der Erschaffer dieses Zimmers und all seines Inhalts: ein kleiner, 84-jähriger Mann mit Brille und schneeweißen Haaren, sein Schnurrbart ziert seine Mundwinkel bis zum Kinn. Er ist merklich stolz auf seine Malstube. Dieses ganze Zimmer reicht mit seinem Inhalt bis zu 70 Jahre zurück in die Vergangenheit.

Eine große Quelle der Inspiration und der eigentliche Grund für Hermanns Kunstbegeisterung war sein Großvater, der selber Dekorations- und Kirchenmaler war: „Er hat mich dazu angeleitet, immer was zu tun, zu zeichnen und zu malen - und so habe ich die ersten Bilder schon mit 12 Jahren gemacht.”

Um sein erstes Bild betrachten zu können, läuft er die Treppen zwischen all seinen Werken wieder hinunter ‑ es hängt in seinem Wohnzimmer zwischen mindestens 20 anderen Bildern in verschiedensten Größen, Formaten und Stilen. Es ist eine kleine, ca. 20 mal 30 Zentimeter große Landschaftsmalerei mit zwei Bauernhäusern und großen Wiesenflächen drum herum, umsäumt ist das Bild von Baumstämmen und Ästen.

Die Inspiration für seine neuen Bilder kommen heute aus Spaniers Wünschen und Träumen. Er malt aus seinem Unterbewusstsein heraus. Schaut man sich in seinem Atelier um, spiegelt sich das wieder. Seine Kunst ist als realistisch zu beschreiben auf jedem Bild, das keine Bleistiftzeichnung ist, erstrahlen viele bunte Farben. Eine düstere Phase in seinem Dasein als Künstler hatte er im Gegensatz zu anderen Künstlern nicht. „Ich bin keine düstere Person”, meint Spanier.

Immer wieder macht der Künstler mit einem Blick auf alle möglichen Dinge aufmerksam, die in dem Zimmer zur Schau gestellt sind. Ob es ein Gemälde von vor ein paar Jahren oder das Plakat zu einer seiner Ausstellungen ist. Mit seinem zitternden Finger und ernstem Blick verweist er auf alles, was zu seiner Geschichte als Künstler interessant und wichtig ist. Dabei hat man das Gefühl, als gebe es keine Lücke in seiner privaten Sammlung, jedes Lebensjahr scheint durch mindestens eines der insgesamt über 600 Werke dokumentiert und veranschaulicht zu sein.

Impressionen

Spaniers Mitgliedschaft bei der AWO begann nicht von vorn herein aus eigenen Stücken: „Meine Mutter hatte in der Nähstube zu tun und dort Leute betreut. Als junger Mensch zum Ende der 50er Jahre bin ich deshalb oft angefragt worden, ob ich bei Jugendfreizeiten gern als Betreuer dabei sein möchte. Und so bin ich dann als Mitglied beigetreten.” 

Die Haupttätigkeit, auf die Hermann Spanier dort neben seiner Öffentlichkeitsarbeit und der Rolle als Betreuer allerdings zurückblicken kann, ist wohl die sozialpädagogische Arbeit in der Kunstwerkstatt mit Menschen mit Behinderungen, die sich auch oftmals als nicht einfach herausstellte: „Ich kam aus einer Traumwelt. Aus Fotostudios und so weiter, der Kontrast zur Arbeit mit Behinderten war so groß, dass ich nach einem Jahr fast mit der Arbeit aufgehört hätte.” Für ihn selbst war es wie Feuer, das auf Wasser trifft. 

Besonders stolz ist er auf seine letzte Ausstellung 2016, in der er seine eigenen und die Werke von Menschen mit Behinderung ausstellte, die sie zusammen in der Werkstatt in Münster gemalt haben. Hierzu greift der Künstler wieder in sein Bücherregal: Er holt einen der vielen Kataloge hervor, in dem die gesamte Ausstellung dokumentiert ist. Mit vertrautem Blick blättert er durch das Papier, bevor er den Katalog ablegt.

Auch heute, wo Hermann Spanier nicht mehr unmittelbar mit Menschen mit Behinderungen arbeitet und künstelt, erkennen sie ihn auf jedem Fest, das er besucht. Lachend erzählt er, das vergangene Woche auf einem Frühlingsfest in Münster viele bekannte Gesichter mit einem Lächeln auf ihn zukamen und begeistert auf ihn eingeredet haben. Sie freuten sich, ihn wiederzusehen.

 

Ausstellung „Hermann Spanier: Kunst für Künstler”

Das Atelier WerkstattArbeit - Kunst von Menschen mit Behinderungen

Das Atelier WerkstattArbeit ist eingebunden in die Werkstätten der AWO Dortmund. Seit 2009 stellt es Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen einen Arbeitsplatz im Bereich der freien und der angewandten Kunst bzw. Grafik zur Verfügung.

Die Idee des Werkstatt Ateliers ist, Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen und Anspruch auf einen Werkstattplatz, Anregungen zur Entwicklung und Förderung der eigenen künstlerischen Fähigkeiten zu bieten bzw. diese gezielt zu fördern.

Das Werke von Menschen mit Behinderungen einem aufgeschlossenen Kunstverständnis gerecht werden, faszinieren, fesseln und begeistern können, wird schnell deutlich, wenn man die individuellen Herangehensweisen der Kunstschaffenden im Atelier betrachtet.

Hier haben sie die Möglichkeit sich auf den Prozess der freien künstlerischen Arbeit zu konzentrieren und sich weiter zu entwickeln.

www.atelier-wsa.de

Die Schenkung an die Arbeiterwohlfahrt
Herrmann Spanier hat der Arbeiterwohlfahrt, als Ausdruck seiner Verbundenheit, mehrere seiner Werke als Schenkung überlassen. 

Die Ausstellung im Landeshaus Münster
Diese und weitere Werke von Spanier wurden in einer Ausstellung im Foyer des Landeshaus in Münster gemeinsam mit exemplarischen Werken des „Atelier WerkstattArbeit” präsentiert und zum Erwerb angeboten. Teile der Erlöse des Verkaufes gingen an die gemeinnützige Arbeit des „Atelier WerkstattArbeit”.

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Autoren
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, Niklas Berkel und Jacqueline Segeth