Atelier Werkstattarbeit mit 'Tandemgeflüster'

Ausstellung

„Tandemgeflüster” ist ein Ausstellungsprojekt des Ateliers WERKSTATTARBEIT der AWO-Werkstätten in Dortmund.

Das Atelier Werkstattarbeit: Kunst von Menschen mit Behinderungen

In dem Atelier WERKstattARBEIT der AWO Dortmund sind seit 2009 Künstler*innen mit unterschiedlichen Behinderungen, die einen Anspruch auf einen Werkstattplatz haben, tätig. Hierbei geht es nicht um ein begleitendes kreatives Angebot, sondern um die Möglichkeit, sich ihren Begabungen und Fähigkeiten entsprechend auf den Prozess der freien künstlerischen Arbeit zu konzentrieren.

„Die Kunst ist wohl die wirksamste Medizin, die das kranke Wesen Mensch jemals erfunden hat. Dass das so ist, darüber belehrt uns diese Ausstellung.” Mit diesen Worten eröffnet der Philosoph Andreas Steffens die Ausstellung „Tandemgeflüster IV” in den Flottmann-Hallen Herne 2018.

„Tandemgeflüster” ist ein Projekt des Atelier WERKSTATTARBEIT der AWO-Werkstätten Dortmund. www.atelier-wsa.de

Das Atelier WERKSTATTARBEIT ist gleichgestellt mit anderen AWO-Werkstätten. Seit 2009 bietet es Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen einen Arbeitsplatz im Bereich der angewandten Kunst und fördert sie in der Entwicklung ihrer künstlerischen Fähigkeiten.

Alle im Atelier entstandenen Werke sind käuflich zu erwerben oder bei verschiedenen Ausstellungen wie jener im Rahmen des Projekts „Tandemgeflüster” zu besichtigen.

Bei diesem Projekt treffen Künstler*innen mit Behinderungen auf Künstler*innen ohne Behinderungen, die auch schon Ausstellungserfahrungen sammeln konnten. Sie arbeiten als „Tandempaare” gemeinsam an einem Zeichenheft, welches sie sich per Post hin und her schicken. Im Mittelpunt dieses Projekts steht der Austausch der Künstler*innen untereinander, der den Einblick in die Sichtweise des jeweils Anderen auf die Kunstwelt ermöglicht.

„Die Zusammenarbeit mit meinem Tandempartner hat mir sehr viel Spaß gemacht. Es war schön durch dieses Projekt einen Austausch mit einem anderen Künstler zu haben. Dabei sind wirklich tolle Dinge entstanden”, erzählt Katja Griebel, die seit 2010 im Atelier arbeitet.

„Ich habe schon immer zu Hause gemalt, aber bevor ich hier angefangen habe, hatte ich noch nie eine eigene Ausstellung.” Durch die Ausweitung von einem begleitenden Angebot zu einer Vollzeitstelle im Atelier, konnte sie ihr Hobby zum Beruf machen. „Das Malen hier in der Werkstatt war anfangs wie eine große Befreiung für mich. Ich konnte endlich den ganzen Tag das tun, was mir Freude macht. Das war viel besser als die monotone Arbeit in anderen Werkstätten.” Aber manchmal sei es auch anstrengend, sagt sie. Schließlich könne man auch hier, wie an anderen Arbeitsplätzen, nicht einfach zu Hause bleiben, wenn man mal keine Lust habe.

Neben der Malerei hat Katja Griebel große Freude an der Musik. „Ich bin leider nicht musikalisch, ich kann kein Instrument spielen, aber ich möchte das, was Musik ausmacht, in ein anderes Medium übersetzen. Wenn ich male, stelle ich mir also vor, ich würde ein Musikstück komponieren. Nur eben mit Strichen und Zeichnungen anstatt mit einem Instrument.”

Jeder Künstler hat seinen eigenen Stil, seine eigenen Herangehensweisen und Intentionen. Von Portraitzeichnungen über abstrakte Malereinen, Skulpturen und Collagen bis hin zu Karikaturen, Comics und Graffitis sind der Kreativität im Atelier keine Grenzen gesetzt. „Ich versuche den Künstlern beim Einstieg zu vermitteln, einfach erstmal loszulegen mit dem, was ihnen liegt, und dann aufmerksam zu werden und zu schauen, was man daraus machen kann. Sie sollen gemeinsam mit den Anderen beobachten was da entsteht”, erklärt Renate Frerich, die Gruppenleiterin des Ateliers und selbst Künstlerin.

Obwohl jeder an seinen eigenen Werken arbeitet, spielt im Atelier auch das Miteinander eine große Rolle. „Die Künstler korrigieren sich gegenseitig und diskutieren über ihre Werke“, fügt Renate Frerich hinzu. „Das Schöne hier ist die gegenseitige Hilfe”, erzählt Elke Friedrich, ebenfalls Künstlerin im Atelier. Für sie ist das Schaffen von Kunstwerken eine Art Verarbeitungsprozess von Erlebtem. „Wir vertragen uns hier alle gut und wir tolerieren uns. Das ist in anderen Arbeitsbereichen oft nicht so”, erzählt sie.

Im Atelier

„Wir sind nicht oberflächlich. Wir respektieren uns. Ich freue mich jeden Tag, hier hinzukommen“, sagt Merve Sedit, die seit 2010 im Atelier arbeitet. „Kunst ist ein Teil von mir. Ich male schon seit ich ein kleines Kind bin”, erzählt sie stolz.

Eine Akademie oder ein Atelier zu finden, um dort ihre künstlerischen Fähigkeiten zu fördern, fiel ihr jedoch zunächst nicht leicht, denn Merve ist fast blind. Für die Verantwortlichen war es schwer zu verstehen, dass eine fast blinde Frau in einem Kunstatelier arbeiten will. Aber Merve ist begabt und das weiß sie auch. „Was ich male, hängt immer von meiner Sehkraft ab”, sagt sie. „Wenn ich gut sehen kann, male ich detaillierte Sachen wie Portraits. An schlechteren Tagen etwas Abstraktes”.

Im Atelier WERKSTATTARBEIT hat sie die Chance bekommen, ihrer Leidenschaft nachzugehen, sie zu ihrem Beruf zu machen. Mit den Ausstellungen und Projekten, werden die Künstler neben der Förderung ihrer Fähigkeiten auch darin unterstützt, mit ihren Werken auf dem Kunstmarkt Fuß zu fassen.

Insbesondere das Projekt „Tandemgeflüster”, bei dem „Outsider-Art” in direkter Konfrontation mit „Insider-Art” steht, zeigt, dass es Zeit ist, die Grenzen des Kunstmarktes neu zu definieren. Denn wer will Menschen mit Beeinträchtigungen absprechen, ihre Welt mit eigenen künstlerischen Mitteln zu begreifen und für andere sichtbar zu machen?

Autoren
Jana Schmincke, Westf. Hochschule Gelsenkirchen