Quartiersprojekte: Stadtteil-Repaircafé & Co

Stadtteil-Repaircafé & Co

Jeden 1. Freitag im Monat: das Reparatur-Café in Bottrop-Eigen

Ehrenamt für eine bessere Lebensqualität im Stadtteil

In Bottrop-Eigen eröffnete vor zwei Jahren das Projekt- und Stadtteilcafé. Dort haben Menschen aus der Umgebung jeden ersten Freitag im Monat die Möglichkeit, kaputte Gegenstände reparieren zu lassen und währenddessen bei Kaffee und Kuchen ins Gespräch zu kommen. Rund 26 Ehrenamtliche beteiligen sich, darunter 16 Reparateure.

Und aus diesem Projekt entwickelte sich immer mehr: mittlerweile gibt es jeden zweiten Montag im Monat ein von Ehrenamtlichen organisiertes Frühstück sowie eine Fotogruppe, die sich regelmäßig trifft.

 

Kleine Ursache – große Wirkung

Wie aus einem Beratungsgespräch im Quartiersbüro Bottrop-Eigen mehrere Reparatur-Cafés, eine Tausch-Ecke, ein Frühstücks-Café und ein Chor, der jede Woche deutsche Schlager singt, entstanden und eine Seniorin ehrenamtliche Helfer für Wohnungssuche und Umzug fand.

Als die Quartiersmanagerin Ute Beese in Bottrop-Eigen einen Anruf von ihrer Kooperationspartnerin Sandra Urban von der Ehrenamtsagentur erhielt, konnte sie nicht wissen, welche umfangreichen Folgen das haben würde. Noch am selben Tag saß Heike Puchenberg in ihrem Büro und wollte irgendetwas Ehrenamtliches machen. Der Flyer mit Ideen für den Stadtteil Eigen war gerade fertig gestellt und zur Überraschung der Quartiersmanagerin sagte die Besucherin, sie würde gerne ein Reparatur-Café organisieren.

Weder Frau Puchenberg noch Frau Beese hatten eine Ahnung vom Reparieren. Aber sie wussten, dass es in Gelsenkirchen ein Reparatur-Café gibt. Beim ersten Besuch fiel das Café zwar aus, aber beide ließen sich nicht abschrecken. In der Zwischenzeit gab es den ersten Aufruf in der Presse, worauf sich ein Masterstudent der Informatik und ein Lehrer meldeten. Zu viert wurde dem Reparatur-Café Gelsenkirchen-Horst ein zweiter Besuch abgestattet und in der Zwischenzeit fand man auch eine Webseite mit allen wichtigen Infos.

Noch gab es nicht genügend Reparateure und vor allem Elektriker und es dauerte dann noch ein halbes Jahr, bis das Café öffnen konnte.

 

Von Anfang an war es gut besucht

Im Monat kommen durchschnittlich ca. 40 Personen und es werden ca. 30 -35 Reparatur-Aufträge erledigt. Vom Schüler, der vom Lehrer den Tipp mit der kostenlosen Reparatur bekommen hat, über die junge Mutter mit Migrationshintergrund, die mit ihrem Säugling kommt, bis zu Senioren, die sich freuen, wenn sie ihr altes Lieblingsgerät doch noch repariert bekommen, reicht die Bandbreite.

In der Wartezeit servieren die Ehrenamtlichen kostenlosen Kaffee und Kuchen und schaffen eine Atmosphäre, in der die Wartenden schnell mit anderen ins Gespräch kommen. Um die Arbeit zu erledigen werden laufend weitere Helfer für Reparatur und Café dazu. Mittlerweile gibt es ca. 30 Ehrenamtliche, die nicht nur unterschiedlich alt sind (von 28 – 82 Jahren), sondern auch sonst in jeglicher Hinsicht verschieden sind. Vom Hobbybastler über Arbeiter bis zum Ingenieur reicht die Bandbreite der Engagierten, zu denen auch Arbeitslose, Studenten, Hausfrauen und Rentner gehören. Eine psychisch Kranke und Arbeitslose erfahren als Mitarbeiter wieder Teilhabe und Selbstwirksamkeit. Alle arbeiten mit großer Freude auf Augenhöhe und freuen sich jedes Mal, dass die Zusammenarbeit so gut klappt und dass ihr Hilfsangebot so gut angenommen wird. Mit dem Thema Reparatur bringt die ehrenamtliche Organisatorin Menschen zusammen, die sonst in unterschiedlichen Sozialräumen leben. Und das bürgerschaftliche Engagement wirkt ansteckend.

Stadtteilcafé

Seit Januar 2017 gibt es in den Räumlichkeiten auch eine kleine Tausch-Ecke. Hier können Dinge, die nicht mehr benötigt werden, noch einen neuen Nutzer finden. Es wurden schon eine Menge unterschiedlicher Artikel getauscht oder einfach gespendet bzw. mitgenommen. Ob Lautsprecher, CD-Recorder, Bücher, ein Smoothiemixer oder Figuren mit Bergbaumotiven, Uhren, Schmuck oder ein Kochtopf – die angebotenen Artikel kommen aus vielen Bereichen und sind alles Einzelstücke.

Bei einem Gespräch im Reparatur-Café stellte sich heraus, das ein Besucher eine Bekannte hatte, die eine Stadtteilführung in Bottrop-Eigen machen könnte. Diese Bekannte bereitet mittlerweile mit weiteren Engagierten und Anwohnern eine Führung vor. Bei einem Gespräch erwähnte sie, dass sie gerne in einem Chor Schlager singen würde.

Da die Quartiersmanagerin einen Sänger/Musiker kannte, der den Chor ehrenamtlich leiten kann, ist kurz darauf selbstorganisiert ein Chor entstanden, in dem jede Woche ca. 40 Personen begeistert deutsche Schlager singen. Bei einem anderen Gespräch in der Tausch-Ecke stellte sich heraus, dass eine Ehrenamtliche sich vorstellen könnte, ein Stadtteil-Café zur organisieren. Mittlerweile gibt es jeden zweiten Montag im Monat ein von acht Ehrenamtlichen organisiertes Frühstück, bei dem auch wieder der Austausch mit anderen Stadtteilbewohnern eine große Rolle spielt.

Eine Besucherin dieses Cafés erwähnte, dass sie Hilfe bei der Suche nach einer neuen Wohnung benötigte. Die Quartiersmanagerin konnte ihr eine Ehrenamtliche vermitteln, die sich zuvor bei ihr gemeldet hatte, weil sie gerne Senioren unterstützen wollte. Die Ehrenamtliche half ihr nicht nur bei der Suche nach einer Wohnung und den damit verbundenen Formalitäten, sondern organisierte zusam-men mit ihren Ehemann auch gleich noch den kompletten Umzug, da die Seniorin auch dabei dringend Hilfe benötigte.

Und wie entstanden jetzt noch weitere Reparatur-Cafés? Nun, bei der Eröffnung des Reparatur-Cafés Bottrop-Eigen kam der Quartiersmanager von Gladbeck-Rentfort Norbert Dyhringer und der begeisterte den Seniorenbeirat Gladbeck dafür, auch ein Reparatur-Café zu organisieren.

Und so gibt es mittlerweile auch in Gladbeck 20 Ehrenamtliche, die – aber dies ist jetzt wieder eine andere Geschichte. P.S.: Es gibt mittlerweile 15 Quartiere, in denen Quartiersmanager zeitnah passgenaue Angebote für Senioren machen. Neben der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements stehen Beratung und Unterstützung von Seniorinnen und Senioren im Mittelpunkt der Arbeit. Und in allen Quartieren heißt es immer wieder neu: „Kleine Ursache – Große Wirkung“.

 

Die Quartiersprojekte der AWO Westliches Westfalen ...

... sind ein bedeutsamer Teil der bereits 100 Jahre andauernden Geschichte des Wohlfahrtsverbandes. Die AWO – damals vor einem Jahrhundert aus dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe entstanden – kommt durch die seit 2015 initiierten Quartiersprojekte in unterschiedlichen Kommunen zurück zu einem wichtigen Ursprungsgedanken: Den Bürger*innen ermöglichen, so lange es geht in ihrem gewohnten und geliebten Umfeld wohnen bleiben zu können, das Leben vor Ort aktiv mit zu gestalten, Strukturen zu entwickeln und Lebensqualität zu fördern. Denn der demografische Wandel mit all seinen Entwicklungen und Ausprägungen stiftet zum Einmischen, Entwickeln und Fördern an.

So sind in den letzten Jahren in nun insgesamt 15 Quartiersprojekten die unterschiedlichsten Ideen, Angebote und Initiativen entstanden, die die Grundsätze der AWO in die Städte und Gemeinden tragen: Patientenbegleitung, Reparatur-Cafés, Gesprächsgruppen für pflegende Angehörige, Informationsveranstaltungen, Sportgruppen, Spiele-Treffs, generationenübergreifende Projekte wie „Jung lehrt Alt“ und vieles mehr. Die Vernetzung diverser Akteure vor Ort, eine enge trägerübergreifende Zusammenarbeit und die Unterstützung durch die Städte begünstigen die Entwicklung der Sozialräume und Nachbarschaften.

(von Verena Weber, Koordinatorin Quartiers- und Netzwerkarbeit beim AWO Bezirksverband sowie die AWO Quartiersmanager*innen)

Ute Beese, Quartiersmanagerin Bottrop-Eigen
Repair-Café
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Autoren
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen