Ein Mann, ein Wort: Klaus Kiesheyer im Porträt

„Ich bin ein Kümmerer“. Ein Mann, ein Wort: Klaus Kiesheyer im Porträt. 

„Letztes Jahr war Schicht im Schacht”, sagt der 67-jährige Diplom-Pädagoge – der im selben Atemzug betont, er sei kein Sozial-Arbeiter, das sei die Konkurrenz. Dabei schmunzelt er und sieht verschmitzt zur Decke.

Klaus Kiesheyer ist eine echte Type – wie man im Ruhrgebiet, Kisheyers Heimat, sagt. Und mit „Schicht im Schacht” meint er den Anfang seiner Rente. Ein Jahr ist das her. Nahezu auf den Tag genau, 365 Tage später, sitzt Klaus Kiesheyer in der AWO-Zentrale und zeigt in die Richtung seines alten Arbeitsbereichs.

Auch heute ist hier Schicht im Schacht: Das Bergwerk Prosper Haniel feiert den langen Abschied der Kohle, der Sozialpädagoge ist wehmütig: „Im Ruhrgebiet herrscht ein ganz besonderer Sinn für Solidarität – Dank des Bergbaus.”

Solidarität ist es, die Klaus Kiesheyer lebt. Schon in den 78er-Jahren, während der Streiks der IG Metall, hat Klaus mit seinen Kollegen der AWO die Streikenden mit Essen versorgt. 

 

„Das war so spannend” 

Klaus Kiesheyer hat von 1983 bis 1988 die hauswirtschaftliche Ausbildung in Kierspe betreut. Vorher hat er lange Zeit Obdachlose und „kinderreiche” Familien begleitet und war nach seiner Zeit in Kierspe Leiter eines Sonderkindergartens im Märkischen Kreis.

Heute aber geht es um den Aufbau und die Leitung des Projekts der hauswirtschaftlichen Ausbildung.
„Ich kann was”, ist es, was die Schüler hier lernen. Die Schüler, das sind Jugendliche, die keine oder nur wenig Perspektiven haben. Dabei geht es um diejenigen, die einfach schulmüde sind, wie Klaus Kiesheyer sagt. Die, die keinen Abschluss haben – und vor allem um die, die nicht an sich glauben. „Schon nach Beginn der Ausbildung stand fest: Alle wollten gute Noten haben” und alle haben sich hier unterstützt.

Trotz der vorherigen Schulmüdigkeit hat nicht einer die dreijährige Ausbildung vorzeitig abgebrochen. Ganz im Gegenteil: Noch während der Prüfungsphase wurde auch derjenige mitgezogen, dem das alles etwas schwerer fiel. Kein Problem für Kiesheyer, für den das Glas grundsätzlich „halb voll ist”.

„Ich bin von Grund auf optimistisch. Es war so spannend zu sehen, wie sich die Jugendlichen entwickeln und mit welcher Freude, sie ihren Aufgaben nachgingen.” 
 

„Ich kann was” 

Sinn des Projekts war der Ausbildungsabschluss. Vermeintlich benachteiligte Schüler haben gelernt, die Benachteiligung aufzuheben und sich in das Arbeitsleben zu integrieren. Mit vollem Erfolg: Zwölf Auszubildende, alle mit Abschluss und anschließendem Einstieg in das Berufsleben. Irgendwann aber, „passte das Projekt nicht mehr in die Zeit” – und wurde eingestellt. Für Kiesheyer war das okay. „Ich hatte viele weitere spannende Aufgaben”.

Zu den Aufgaben der Auszubildenden gehörte alles, was bei der Arbeit in einem Haushalt anfällt. Kochen, Einkaufen, Tagesabläufe strukturieren und organisieren. Die Absolventen arbeiten in Hotels und Privathaushalten – und sind stolz, heute sagen zu können: „Ich kann was.” - Kiesheyer war in der Gruppe beliebt. Machte seinen Schülern Mut und gestaltete gemeinsam mit einer weiteren Leiterin die Lehrpläne, Abläufe und Organisationen.

Was der schönste Moment war? Der Diplom-Pädagoge lächelt und überlegt kurz: „Ich war bei der Hochzeit einer Auszubildenden Trauzeuge. Sie brauchte jemanden und hat mich gefragt. Klar, dass ich dabei war.”

Klaus Kiesheyer kümmert sich. Immer. Egal, wo er gebraucht wird. Auch heute, während seiner Rente, betreut er Menschen in Privathaushalten, denen es schwer fällt ihren Alltag zu gestalten, die Unterstützung beim Kochen oder Putzen benötigen.

„Wir tragen eine Verantwortung für Menschen, die nicht die gleichen Chancen haben – wir sind alle gleich. Und wir alle haben die Pflicht uns um die zu kümmern, denen es nicht so gut geht.”

Ein Mann, ein Wort.

 

Foto: Auszubildende der hauswirtschaftlichen Ausbildung in Kierspe.
Sechste von links, hinten: Klaus Kiesheyer, 1986

Auszubildende der hauswirtschaftlichen Ausbildung in Kierspe

Stichworte zum „Benachteiligtenprogramm”

  • Überbetriebliche Ausbildungs- und Bildungsmaßnahme mit dem Ziel, einen qualifizierten Hauptschulabschluss in Verbindung mit einem Berufsabschluss: städtische Hauswirtschafterin
     
  • Leitung: Hauswirtschaftsmeisterin in der praktischen Ausbildung und Sozial-/Diplom-Pädagoge in der Nachbereitung der berufsschulischen Anforderungen und Begleitung der Gruppe und der einzelnen Teilnehmer in Krisensituationen
     
  • Dauer: 3 Jahre
     
  • Ausbildungsort: Familienbildungsstätte der AWO in Kierspe
     
  • Anbindung an das benachbarte Seniorenzentrum der AWO
     
  • Teilnahme auf freiwilliger Basis; dadurch große Motivation und Lernbereitschaft
     
  • Solidarisches Gruppenleben in der Unterstützung bei fachpraktischer Tätigkeit und schulischen Anforderungen
     
  • Übernahme der Verantwortung in der regelmäßigen Bestückung des Cafés des Seniorenzentrums
     
  • Bereitschaft, die „Gewinne“ im Kuchenverkauf anzusparen für 2 Fahrten: Spanien, Berlin.
     
  • Erreichung des Ausbildungsziels bei allen Teilnehmer*innen
     
  • Vermittlung in Arbeitsstellen bei allen Teilnehmer*innen 

 

 

Musik in der Audio-Datei: Minimal Marimba _ https://www.musicfox.com/info/kostenlose-gemafreie-musik.php.    

Audio
Autoren
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, Sandra Redegeld, Vanessa Filler, Natascha Walther, Jana Elbert, Jennifer Feldbaum, Melina Sander
Jennifer Feldbaum, Melina Sander