Ehrenamt ist Ehrensache:
AWO-Treff ist soziales Zentrum in Kirchderne
Die AWO ist das soziale Herz und der Treffpunkt von Kirchderne. Davon sind die Ehrenamtlichen zutiefst überzeugt. Sie engagieren sich - und das teilweise schon seit Jahrzehnten - für ihren Stadtteil und die Menschen, die dort leben. Dabei hat der Ortsverein sowohl die Alten als auch die Jungen im Blick.
Dass es den Ortsverein seit 67 Jahren gibt, ist nicht selbst verständlich. 1980 stand der Ortsverein vor dem Aus: Es gab damals nur noch 30 Mitglieder - inklusive der Karteileichen. Und auch die Kasse war leer, als Bodo Champignon von den Problemen hörte. Der SPD-Vorsitzende machte dies in seinem Ortsverein zum Thema und startete die „freundliche Übernahme”.
Ortsverein gerettet
Die Genoss*innen traten in die AWO ein, stellten den neuen Vorsitzenden und den neuen Kassierer und brachten die AWO-Gliederung wieder auf Vordermann. „Von da an ging es bergauf - nicht nur sprichwörtlich ein steiler Weg”, sagt Bodo Champignon rückblickend. Der frühere Landtagsabgeordnete und Ehrenvorsitzende des AWO-Bezirks ist noch heute stellvertretender Vorsitzender des AWO-Ortsvereins.
Von Anfang an zur Seite steht ihm Renate Riesel. Als Schriftführerin, stellvertretende Vorsitzende und seit 25 Jahren als Vorsitzende ist sie in Kirchderne aktiv. Gemeinsam gestalteten sie die Zukunft des Ortsvereins, der mit seinen Angeboten gut und beispielhaft aufgestellt ist. Rund 250 Mitglieder zählte Kirchderne in der Spitze. Aktuell sind es noch rund 180. Gemeinsam sind sie älter geworden. „Als ich vor 25 Jahren Vorsitzende wurde, war ich eine der Jüngsten. Heute mit 66, bin ich es immer noch”, sagt Renate Riesel mit einem Lachen, aber auch mit gemischten Gefühlen.
War es damals gelungen, viele Menschen für die AWO zu begeistern - vor allem zahlreiche Vorruheständler von Hoesch - fällt das heute deutlich schwerer. „In allen Vereinen fehlt der Nachwuchs. Wir bemühen uns, Menschen anzusprechen. Das klappt leider nicht immer so”, sagt Riesel. „Aber was wir geschafft haben, ist ganz vorzeigbar. Da bin ganz stolz drauf.”
AWO-Treff als Herz des Ortes
1994 - damals war Riesel bereits Vorsitzende - begann das erste Großprojekt. Der Ortsverein entschied sich, die städtische Altenstätte zu übernehmen. „Die Initiative ging von der Stadt aus. Sie wollte ihre 22 städtischen Begegnungsstätten abgeben und die AWO hat 16 übernommen”, erinnert sich Bodo Champignon. „Wir wollten Verantwortung übernehmen für die Stadt, auch wenn kein Geld mehr dafür kam.”
Am 1. Juni 1994 begannen die zweimonatigen Umbauarbeiten. Die Räume unter der Turnhalle wurden quasi entkernt und total umgebaut. „In den zwei Monaten haben wir das geschaffen, was wir heute noch pflegen wie ein Kleinod. Da hängen die Helfer*innen von damals noch dran”, betont Bodo Champignon. „Sie haben hier Wurzeln geschlagen. Da ist für mich der Begriff Kirchderner Familie entstanden.”
Der AWO-Treff ist auch heute noch das Herzstück der Arbeit und Treffpunkt des Ortes. „Wir haben von Anfang an hier ein Netzwerk aufgebaut”, verdeutlicht Renate Riesel. Seniorenbüro, Seniorenbeirat, IG Metall, Siedlergemeinschaften, Sportverein, Knappenverein, DLRG und Wohnungsgesellschaft - um nur einige zu nennen - gehen hier ein und aus.
Schon während der Bauarbeiten haben die Ehrenamtlichen mit der Nachbarschaft gesprochen und für Verständnis und die Angebote geworben. Vor allem die Frauen und Männer in den benachbarten Altenwohnungen von Hoesch waren im Blick: „Wir sind auf die Menschen zugegangen und haben nachgefragt, wer alleine wohnt. Unser Treff ist auch ein Angebot gegen Vereinsamung”, betont Riesel. Hier wurden und werden die unterschiedlichsten Hilfsangebote gemacht.
Kinder- und Jugendtreff
Kurz nach der Eröffnung klopften Jugendliche beim AWO-Treff an: „Für die alten Leute tut ihr was? Was tut ihr für uns?”, bekamen die Aktiven zu hören - und nahmen das ernst. „Die Kirchen hatten ihre Jugendarbeit eingestellt. Wir haben die moralische Verantwortung übernommen. Daraus ist der Gedanke mit dem Jugendtreff entstanden”, ruft Bodo Champignon in Erinnerung.
Doch bis zur Realisierung brauchte es vier Jahre - es mussten erst Räume geschaffen werden. Die Lösung waren die ehemaligen Bürocontainer der Bundesgartenschau im Westfalenpark. In zähen Verhandlungen - auch im Kampf gegen die Begehrlichkeiten von anderen Verbänden - konnten die Kirchderner die Container für sich sichern.
Letztendlich auch ohne viel Geld: Renate Riesel - damals noch Ratsmitglied - machte der Stadtspitze deutlich, dass sie ja für den Stadtteil eine Jugendeinrichtung schaffen und ehrenamtlich betreiben würden.
Soziale Teilhabe
Die Arbeit lief gut an - die Angebote wurden stark nachgefragt. Denn von Anfang an waren die Kinder, Jugendlichen und Familien eingebunden. „Es gab Mutter-Kind-Nachmittage, Wanderungen, Ausflüge und Besuche auf dem Bauernhof”, nennt Renate Riesel Beispiele von Angeboten.
„Wir haben Teilhabe organisiert und darauf Wert gelegt, dass sich alle Kinder und Jugendlichen beteiligen konnten - auch die, die es sich nicht leisten konnten”, berichtet sie auch mit Blick auf die ebenfalls ehrenamtlich organisierten und geleiteten Ferienfreizeiten. Mittlerweile wurde das erfolgreiche Angebot weiter professionalisiert und im Kinder- und Jugendtreff hauptamtliche Strukturen geschaffen.
Seniorensportstätte
Die Ehrenamtlichen hatten sich zwischenzeitlich auf ein weiteresgroßes Projekt fokussiert: die Schaffung einer Seniorensportstätte. In einer alten Katakombe, in der früher Koks für die Heizung der Turnhalle gelagert wurde, entstand eine Kegelbahn.
„Als ich mit der Idee kam, haben mir alle einen Vogel gezeigt”, blickt Champignon zurück und lacht . „Günter Kauermann als Architekt hat uns sehr geholfen.“ Nach ihm ist auch die Stube der Kegelbahn benannt.
Seit 2003 fallen regelmäßig die Kegel im AWO-Treff. Wie auch alle anderen Einrichtungen wird die Bahn ehrenamtlich betreut und gepflegt. Nur deshalb lässt sie sich betreiben - die meisten Wirte hätten wegen der hohen Kosten kapituliert.
In Kirchderne gibt es ansonsten keine Gaststätte mit Kegelbahn mehr. Die Fenster dieser ehemaligen Gaststätten sind heute Wandschmuck der Seniorensportstätte. Sie kann übrigens auch von Rollstuhlfahrer*innen benutzt werden - sie ist barrierefrei.