Im ständigen Kampf für bessere Bedingungen und für gute soziale Arbeit
Die AWO ist kein beliebiger Dienstleister wie alle anderen. Darauf legt Andreas Gora, Geschäftsführer des AWO-Unterbezirks in Dortmund, größten Wert. „Wir haben einen sozialen und gesellschaftlichen Auftrag und stellen auch gesellschaftliche Forderungen”, macht Gora deutlich. Dafür hat er „sein” Unternehmen umgekrempelt.
„Ich bin seit 20 Jahren hier und seitdem hat sich eine Menge verändert. Das Unternehmen ist viel größer, die Arbeit viel schneller geworden. Wir haben uns ganz anders organisiert, immer versucht, die Ressourcen so gut wie möglich zu nutzen. Außerdem haben wir versucht, trotz der schwierigen Rahmenbedingungen fair gegenüber unseren Beschäftigten zu sein. Und wir sind laut geworden in der Stadt”, fasst Gora zusammen.
Innovative Arbeit
Die Führungsstruktur des Unternehmens hat sich seitdem auch massiv verändert: „Ein Geschäftsführer und ganz viele Weisungsempfänger - so funktioniert ein Betrieb nicht, wenn er gut und innovativ arbeiten will”, skizziert Gora - wenn auch stark pointiert - die Ausgangslage.
„Wir müssen die Verantwortung auf mehrere Menschen verteilen, mit eigenen Kompetenzen und uns als gemeinschaftliche Unternehmensführung verstehen.” Der Unterbezirk Dortmund hat daher die Angebote in Arbeitsbereichen mit eigenen Bereichsleitungen organisiert. Sie arbeiten relativ eigenständig.
Spezialisierte Fachkräfte
Dort findet sich die geballte Sachkompetenz: „Wir haben hoch spezialisierte Fachkräfte für einzelne Fragen. Ich bin als Geschäftsführer gar nicht in der Lage, alle Detailfragen beantworten zu können. Die Leitungen in der Eingliederungshilfe, aus der Pflege oder dem Bereich Kinder, Jugend und Familie wissen viel mehr und können sich viel stärker in die jeweiligen Netzwerke und Fachdiskussionen einbringen.”
Ein Punkt dabei ist auch die ständige und beharrliche Kritik an den Rahmenbedingungen der sozialen Arbeit. Sie gerät immer stärker unter Druck und wird dem freien Spiel der Kräfte und vor allem des Marktes ausgesetzt. Dies ist der Grund, warum Andreas Gora sich seit Jahren sehr lautstark zu Wort meldet. Denn die Rahmenbedingungen für gute soziale Arbeit müssten verlässlich und nachhaltig sein. „Doch die Ausschreibungs- und Vergabepraxis und der Wettbewerb im sozialen Bereich ist völliger Schwachsinn”, kritisiert Gora gewohnt deutlich die Rahmenbedingungen. „Es gibt eine völlig irrationale Ausbeutung im Arbeitsbereich der sozialen Praxis.”
Gegen Privatisierung
Er hat sich stets für bessere Rahmenbedingungen für gute soziale Arbeit eingesetzt. Die zunehmende Privatisierung ist ihm ein Dorn im Auge - Stichwort Kitas. „Will ich, dass mein Kind von einer Aktiengesellschaft erzogen wird, das als einziges Ziel hat, Geld zu verdienen?” Seine Antwort ist klar: natürlich nicht. Mit scharfen Worten kritisiert er die die Privatisierung und beklagt, dass diese Themen mittlerweile völlig entwertet diskutiert würden. Es gehe nur um die Kosten, nicht aber den Nutzen - vor allem den gesellschaftlichen Nutzen.
„Nützt es auch den Abgehängten, die betreut werden sollen? Führt das zu nachhaltiger Beschäftigung, einer guten Bezahlung und einer guten Qualifikation der Fachkräfte, die dort arbeiten?” Zu oft müssten diese Fragen mit Nein beantwortet werden. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass das so ist. Wir haben Geld genug. Wir leisten uns ein Steuersystem, was Menschen im höchsten Maße privilegiert und stecken Milliarden in den Bergbau und in Banken. Aber diskutieren dann auf der anderen Seite, ob soziale Arbeit 12,50 oder 15 Euro kosten darf und entscheiden, dass sich die Gesellschaft 15 Euro dann nicht leisten kann”, ärgert sich Gora mit Blick auf die Einkommenssituation bei Erzieher*innen oder in der Pflege.
Fairer Arbeitgeber
Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen versuche die AWO, ein verlässlicher und fairer Arbeitgeber zu sein - also die eigenen Werte auch im Unternehmen zu leben. Das falle zunehmend schwer, weil die finanziellen Rahmenbedingungen - gesetzt durch die Politik - immer schwieriger würden. „Ich finde die Rahmenbedingungen nicht gut, aber trotzdem müssen wir möglichst fair agieren. Vielen anderen sozialen Unternehmen ist das egal, was nach ihnen passiert”, bedauert Gora. Sie agierten so, wie es von ihnen erwartet werde.
Doch der Dortmunder Geschäftsführer will das so nicht akzeptieren: „Wir müssen Bedingungen schaffen, dass die Menschen, die mit gesellschaftlich abgehängten und Benachteiligten arbeiten, nicht auch irgendwann abgekoppelt sind. Wir brauchen langfristige und nachhaltige Beschäftigung, die in einer angemessenen Rente endet.”
Er will nicht länger akzeptieren, dass Menschen nach 40 Jahren Arbeit mit 900 Euro Rente nach Hause gehen. Dies ist ein Grund, warum er auf eine Re-Politisierung des Verbandes setzt. Denn nur, wenn man Missstände und Probleme artikuliere und öffentlich thematisiere, könne man gesellschaftliche Veränderungen erreichen.
Gerechtigkeit statt Recht
Die AWO müsse daher noch viel stärker ihre politischen Ansätze formulieren und Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen. „Sie muss wieder menschlicher werden. Es darf nicht nur um Recht gehen, sondern auch um Gerechtigkeit.. „Ich ermuntere meine Beschäftigten immer dazu, das - was nicht gut funktioniert - auch tatsächlich zu sagen.”
Dabei sei es unerheblich, ob sie dies innerhalb des Unternehmens, in den jeweiligen Netzwerken und politischen Gremien und auch gegenüber Förderern und Geldgebern tun. „Sie sollen nicht kuschen, sondern formulieren, wie sie sich das System vorstellen. Nur so können wir Dinge verändern.”
Auf das AWO-Jubiläum blickt er mit zwiespältigen Gefühlen: „Die AWO besteht seit 100 Jahren. Viele sagen, dass es eine Idee von gestern ist. Schade, dass sie es nicht ist. Denn die Forderungen sind noch immer aktuell und vieles haben wir noch nicht erreicht“, so Gora. „Ich glaube, wir haben noch einen riesenweiten Weg vor uns, um die Ziele der AWO von vor 100 Jahren zu erreichen.”
Kommunale Daseinsvorsorge
Sein Wunsch für die Zukunft: Die AWO solle sich nicht dem Trend beugen, dass soziale Arbeit privatisiert werden müsse. „Die Erfolge der Privatisierung sind nicht nachgewiesen worden. Letztendlich ist es dadurch nur teurer geworden und es gibt keine Versorgungssicherheit, wenn nur noch unter monetären Gesichtspunkten diskutiert wird”, bilanziert der Dortmunder AWO-Geschäftsführer.
Die Daseinsvorsorge werde immer stärker zusammengestrichen, die Leute immer mehr unterversorgt. „Das sorgt sie zu Recht. Das muss sich in den nächsten 100 Jahren ändern. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die AWO das Grundziel nicht aus den Augen verliert.” Die Menschen bräuchten ein gesichertes Leben mit auskömmlicher Arbeit, sozialer Sicherheit, guter Kinderbetreuung, bezahlbarem Wohnen und einer Sicherheit für gute Pflege im Alter.
„Das muss die AWO organisieren.” Ziel müsse sein, sich selbst überflüssig zu machen. Doch so lange der Staat nicht die Menschen und ihre Bedürfnisse an die erste Stelle setze, solange werde die AWO noch weiterarbeiten müssen.
„Aktion Gutmensch”
Um mehr Menschen von der AWO und ihren Positionen zu überzeugen, haben die Dortmunder verschiedene Kampagnen gestartet. „Die „Aktion Gutmensch“ ist eine Lieblingskampagne von mir“, berichtet Gora. Er habe sich unheimlich geärgert, dass es gelungen sei, den Begriff „guter Mensch” bzw. Gutmensch zu einem Schimpfwort zu degradieren.
„Ich wollte einen Gegenpol zum Missbrauch des Begriffs etablieren und Menschen dazu auffordern, sich offen zum Gutmensch-Sein zu bekennen”, so Gora. Doch nicht alle zogen mit: „Viele von mir als gute Menschen identifizierte haben sich geweigert, sondern haben es auch als Schimpfwort genutzt. Sie haben nicht verstanden, was das für das soziale Umfeld bedeutet. Wir haben daher den Begriff in einen anderen Fokus gerückt.”