LÜSA _ Ein Altenheim für Junkies

"Ohne LÜSA wäre ich so gut wie tot", sagt Lothar, "... die Ruhe hier ist fantastisch. Ich bin glücklich."

LÜSA (Langzeit Übergangs- und Stützungsangebot)

Über einen einsamen, holprigen Weg inmitten von Feldern gelangt man zu einem rot angestrichenen Haus mit großem Garten. Die nächste Stadt ist Unna, elf Kilometer entfernt, bis Dortmund sind es fast 40 Kilometer. Hier wohnen schwerst drogenabhängige Menschen, die nicht mehr alleine leben können. Ihr Leben hängt davon ab, dass sie an diesem idyllischen Ort sein dürfen.

"Jetzt werd‘ ich schon wieder rückfällig” sagt Lothar lachend und greift zu den Keksen. Er ist einer der Bewohner der Einrichtung für suchtkranke Menschen und ist froh hier zu sein. Das Leben im Heim ist besser als ein Leben im Rausch.

Durch Wiesen und Felder führt eine schmale Straße zu einer spärlichen Häuseransammlung mit dem passenden Namen Dreihausen. Die Siedlung gehört zu Hemmerde, einem ländlichen Ortsteil von Unna. Das Auto passiert eine kleine Kapelle am Straßenrand. Wenige Meter oberhalb steht ein Erholungsheim, in dem vor Jahrzehnten Nonnen die Ruhe genossen haben. Direkt dahinter beginnt der Wald. Lange Zeit standen die Bauten leer, nun ist wieder Leben eingekehrt. Seit einigen Wochen wohnen hier alternde Drogenabhängige, die dort den Rest ihres Lebens verbringen können.

Das Projekt Lüsa (Langzeit Übergangs- und Stützungsangebot) aus Unna hat das ehemalige Erholungsdomizil umgebaut in eine Art Altersheim für chronisch Suchtkranke. Bis zu 14 Männer und Frauen, die für ein herkömmliches Altenheim aufgrund ihrer Lebensgeschichte meist nicht in Frage kommen, können dort auf unbestimmte Zeit leben: Mit einem geregelten Tagesablauf und Rund-um-die-Uhr Betreuung durch Pfleger und Sozialarbeiter. Jeder Bewohner hat sein eigenes Zimmer mit Blick ins Grüne. Die Einrichtung gehört bundesweit zu den wenigen, die sich auf die Generation der alternden Suchtkranken spezialisiert hat und ihnen eine dauerhafte medizinische Versorgung garantiert. Sie wird finanziert durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe.

Bewohner Martin sitzt auf dem bequemen Sofa im Aufenthaltsraum und steckt sich eine Zigarette an. Er hat eine lange Drogenkarriere hinter sich. Als er 13 ist, stirbt seine Mutter. Danach spritzt er sich das erste Mal Heroin. Von nun an dient sein Leben jahrelang bloß einem Zweck: Der Beschaffung von neuem Stoff. Bis er vor zehn Jahren mit der Substitution beginnt, umsteigt auf das Ersatzmittel Methadon. Vor zwei Jahren zieht er dann bei LÜSA ein, ins Haupthaus in der Innenstadt von Unna. Dieser Schritt rettet ihn.

Heim

DAWO - da wo man bleiben kann!

Seit Januar 2015 bieten wir alternden chronifiziert drogenabhängigen Menschen eine dauerhafte Wohnperspektive.

Mit 50 Jahren gehört Martin zu den ältesten Bewohnern. Die Spanne reicht von 38 bis 57 Jahren. "Drogensüchtige altern vor, etwa 15 Jahre", sagt Sabine Lorey, Leiterin des Hauses. Die Menschen sind in der Regel schwer krank: infiziert mit HIV, leiden an Leberkrankheiten, haben Lungenprobleme, mit Zahnerkrankungen gehen Herz-Kreislauf-Beschwerden einher. "Das ist ein komplexes Bündel an Krankheiten", sagt die Suchtforscherin Irmgard Vogt von der Fachhochschule Frankfurt/Main. Erst die Substitution mit Ersatzstoffen wie Methadon mache ein längeres Leben überhaupt möglich.

Aufgrund der Krankheiten kann den Bewohnern nicht allzu viel zugemutet werden - trotzdem gibt es für sie einen geregelten Tagesablauf. Ein paar helfende Handgriffe in der Küche, ein bisschen putzen, Ergotherapie. Im Sommer soll die Gartenarbeit dazu kommen, viele wünschen sich einen Gruppenhund und eine Katze. "Das Programm endet am frühen Nachmittag", sagt Lorey. "Dann sind alle wirklich platt." Wer in die Stadt oder ins Haupthaus will, kann morgens in den angebotenen Shuttlebus einsteigen.

Für Menschen mit fortgeschrittenen Erkrankungen, Behinderungen, Störungen, die eine Wiedereingliederung eines selbständigen Lebens nicht (mehr) leisten können, bedarf es neuer Hilfe-Angebote mit gesicherten und bei Bedarf dauerhaften Lebensräumen und erfüllbaren Anforderungen, würdevollen Wohnräumen und Sterbensräumen. 

Dafür müssen in Köpfen, Politik, Verwaltung, Institutionen und beteiligten Fachrichtungen „Querdenken“ möglich werden.

Das Projekt LÜSA ist eine Einrichtung des Vereins zur Förderung der Wiedereingliederung Drogenabhängiger e.V. (VFWD e.V.) in Unna und kooperatives Mitglied des AWO Bezirksverband Westliches Westfalen.

www.luesa.de

 

Autoren
Sophia Dorra, Nick Rasmus und Tim Schmidt
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen