Melanie Queck: Inklusion - Umsetzung im Unternehmen

Melanie Queck. Stellvertretende Geschäftsführerin des AWO Unterbezirks Münsterland-Recklinghausen in Marl und Geschäftsbereichsleiterin 'Gesundheit und Teilhabe'.

Inklusion - Umsetzung im Unternehmen mit Ganzheitlichkeit und Individualität

Mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetz werden neue Rahmenbedingungen für die Träger von Diensten und Einrichtungen mit Bestandskraft für viele Jahrzehnte geschaffen. In diesem Zusammenhang sind durchaus Umbrüche zu erwarten. Auf die Landesregierung kommt ein erhebliches Maß an Mitverantwortung für die Weiterentwicklung des Politikfeldes Behindertenhilfe und für eine zunehmende Zahl an Menschen mit Bedarf an Assistenz und Betreuung in unserem Land zu.

Vor diesem Hintergrund ist zu hoffen und zu erwarten, dass die Bedeutung dieses Handlungsfeldes und der Gestaltungsauftrag erkannt, Aufsichts- und Gestaltungskompetenzen verantwortlich und in Abstimmung mit Behinderten-, Fach- und Sozialverbänden einschließlich der Freien Wohlfahrtspflege wahrgenommen werden.

Mir fehlt bei allen Programmen der ganzheitliche Blick auf der einen, aber auch die Offenheit für differenzierte Lösungen auf der anderen Seite. Warum soll Gebärdensprache nur an Förderschulen verpflichtend gelernt werden? Warum nicht schon bei der Sprachförderung in der Kita? So könnten sich alle Kinder später untereinander verständigen. Und warum soll nicht auch eine Krankenschwester lernen, wie sie mit bestimmten Behinderungen umgehen kann?

Verbindliche Standards für Inklusion in Schulen sind nötig. Die AWO stimmt darin überein, Kindern die Möglichkeit zum Besuch einer Förderschule nicht komplett zu nehmen. Da, wo Schule in erster Linie Lebenshilfe leistet, etwa zum selbstständigen Einkaufen oder Kochen, ist die Förderschule möglicherweise besser geeignet. Natürlich kann vieles auch eine Regelschule leisten, aber dann mit einem Masterplan und entsprechendem Fachpersonal.

Man muss die Förderschulen mit ins Boot holen bei der Umsetzung von Inklusion an Regelschulen. Deswegen sollten Betroffene stärker bei der Gesetzgebung mit einbezogen werden. Dann müsste man später nicht so viel nachbessern.

Plan

„Öffentlich geförderte Beschäftigung wird der Individualität der Menschen mit Behinderung in der Regel nicht gerecht.”

Melanie Queck

Beim Übergang zwischen Kita und Schule sind die fehlenden Schnittstellen, wenn Förderbedarfe vorhanden sind, von keiner Partei thematisiert worden. Nach der Einschulung dauert es erstmal sechs Wochen bis der Förderantrag für Schulbegleitung gestellt wird. Betroffene sollten stärker bei der Gesetzgebung mit einbezogen werden. Dann müsste man später nicht so viel nachbessern.

Inklusion muss als Anspruch auch in der Ausbildungs- und Arbeitswelt grundlegend mitgedacht werden. Es sollte eine Selbstverständlichkeit werden, Menschen mit Behinderungen in Unternehmen zu beschäftigen.

Wenn man Inklusion ernst nimmt, dürften sich größere Betriebe aber nicht mehr von der Verpflichtung freikaufen, Menschen mit Behinderung einzustellen. Auch dann nicht, wenn sie Aufträge an Werkstätten geben. Diese Regelung ist zwar gut für die Werkstätten, hat aber mit Inklusion wenig zu tun.

Positiv sind alle Ansätze, die Inklusion nicht solitär behandeln, sondern unter den jeweiligen Themen Arbeit, Familie, Schule mitdenken. Das macht inklusives Denken aus.

 

Siehe Video zum Vergleich: Der Wandel der sozialen Arbeit Imagefilm 'AWO FÜR ALLE' von 1988. Kapitel Menschen mit Behinderungen.

Audio
Autoren
Audiodatei: Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, Jonathan Mylius
Text von Jörn-Jakob Surkemper, AWO erleben! 1|2017