Rundum (ver)sorgen
Als Tochtergesellschaft der AWO, hat sich auch die AW-Kur besonderes Engagement auf die Fahnen geschrieben. In einem Interview mit Andreas Frank, erfahren wir, wieso es wichtig ist, nicht nur Kurangebote für betroffene Patienten anzubieten. Vorsorge und die rechtzeitige Erkenntnis auch als Angehöriger eine Auszeit zu beanspruchen, ist die Zukunft des Systems.
Andreas Frank ist Geschäftsführer der Kur- und Erholungsgesellschaft, eine Tochtergesellschaft der AWO. Diese ist Träger von drei ganz besonderen Kurkliniken und verfolgt das Ziel, Erkrankungen außerhalb des Alltagstrotts gezielt und Erfolg versprechend zu behandeln. Die je dreiwöchigen Aufenthalte können durch eine ärztliche Bescheinigung beantragt werden. Wie breit die Angebote aufgestellt sind, erzählt uns Andreas Frank im folgenden Interview.
Was genau ist Ihr Tätigkeitsfeld im Bereich der Kur- und Erholungsangebote?
„Zu meinem Aufgabenfeld als Geschäftsführung gehört beispielsweise zu schauen, welche Ressourcen zur Verfügung stehen. Im nächsten Schritt gilt es zu überlegen, wo welche Angebote mit diesen zu verwirklichen wären. Unter Ressourcen versteht sich beispielsweise die Struktur der einzelnen Häuser, das Personal aber auch die Aufarbeitung des Portfolios. Wir wollen die Leute im Hier und Heute mit ihren Bedürfnissen erreichen und Handlungsfelder rechtzeitig erkennen.“
Was unterscheidet AW-Kur von anderen Anbietern?
„Wir sind im Angebotsportfolio breit aufgestellt. Neben den reinen Mutter-Kind Kuren, die man heute eher stationäre Vorsorgemaßnahmen nennt, haben wir auch Vater-Kind-Kuren, sowie Angebote für Maßnahmen für die ganze Familie. Darüber hinaus gibt es Angebote für „pflegende Angehörige“ und „Menschen mit Demenz“.
Ist dieser Aspekt besonders?
„Wir, als Arbeiterwohlfahrt, sind einer der wenigen Träger, die sowohl komplette Familien, als auch pflegende Angehörige erreichen. Dies geht weit über das hinaus, was die medizinische Vorsorge heute beispielsweise für Eltern bereithält.“
Ein Paradebeispiel ist das „Haus am See“, welches direkt an der Ostsee liegt. Hier wird nicht nur Müttern, sondern auch Vätern sowie kompletten Familien die Möglichkeit geboten, sich zu stärken.
In der Einrichtung können bis zu 38 Familien unterkommen. Drei Wochen lang begleiten und unterstützen sie dabei ein medizinisches Team, der psychosoziale Dienst und auch ein Physiotherapie-Team. Bei der Unterstützung wird hierbei nichts dem Zufall überlassen: Jeder bekommt genau die Betreuung, die er benötigt. Jeder bekommt einen individuellen Plan, mit dem erfolgreich gearbeitet werden kann. Ein Aufenthalt ist nicht nur während der Ferien möglich. Dank des schulbegleitenden Unterrichts können Familien auch während der Schulzeit anreisen, ohne die Sorge, dass die Kinder den Anschluss verlieren.
Was steckt hinter der Idee im Kurhaus Baltik?
„Durch den demografischen Wandel und auch durch den Wandel des Rollenbildes der Frau in den Familien waren Umstrukturierungen nötig. Heute sind Mütter und Väter gleichberechtigt, was die Verantwortung in der Kindererziehung angeht. Dieser Aspekt stand vor vielen Jahren noch nicht zur Debatte. Damals spielten Väter eine untergeordnete Rolle. Heute arbeiten sowohl Frauen, als auch Männer und seltenst gibt es noch die klassische Rollenverteilung.“
Also wurde hier neues Handlungsfeld entdeckt?
„Wir sehen, dass es oft wenig nützt, nur die Frau zu stabilisieren. Es ist wichtig beiden Partnern ein Angebot zu unterbreiten, um ihnen die Chance zu geben auch partnerschaftliche Konflikte aufzuarbeiten. Hierzu braucht nur einer der Partner ein ärztliches Gutachten, um der ganzen Familie ein therapeutisches Angebot zu sichern.“
Woran arbeiten die Eltern während des Aufenthalts?
„Die Partner arbeiten beispielsweise an Unterschieden bei der Erziehung ihres Kindes oder lernen mit Problemen im Bereich der Familie umzugehen. Hier geht es darum, nicht nur den Erziehungsauftrag des Kindes, sondern auch weitere „Belastungen“, wie die Pflege von Angehörigen oder ähnlichem gemeinsam zu meistern. Es wird wirklich ganz individuell geschaut, wo Handlungsbedarf besteht. Die Kinder werden in der Zeit der therapeutischen Sitzungen optimal betreut. Am Wochenende kann die Familie gemeinsam Zeit verbringen.“
Sind Sie darauf besonders stolz?
„Natürlich! Wir haben es geschafft, das erste familientherapeutische Angebot zu verwirklichen. Dieses ist ein zukunftsfähiges Konzept und wir gehen davon aus, damit auch andere Träger zu erreichen.“
Wie hoch ist die Nachfrage aktuell?
„So hoch, dass wir in Zingst neu bauen werden. Wir können aktuell den hohen Bedarf kaum befriedigen. Momentan können wir dort 38 Familien unterbringen. Die Klinik ist zu 100% ausgelastet. Es ist unsere feste Absicht die Kapazität dort zu verdoppeln.“
Wer nutzt dieses Kurangebot?
„Man kann sagen, dass Menschen aus einer höheren Bildungsschicht eher erkennen, wann sie ihre Belastungsgrenze erreicht haben und merken „Hey, ich brauche Hilfe. Ich fühle mich erschöpft.“ Für Menschen aus bildungsschwachen Familien tun sich leider noch zu häufig Barrieren auf, zum Arzt oder zu Beratungsstellen zu gehen. Das ist leider so.“
Was tun Sie dagegen?
„Wir arbeiten fortlaufend an einer Lösung für jene, die es besonders nötig haben. Die Menschen haben es verdient neue Lebensentwürfe für sich zu entdecken.“
Gibt es weitere Angebote, die Sie hervorheben möchten?
„Besonders stolz sind wir auch auf die Angebote für „Pflegende Angehörige“. Die AW-Kur bietet in Winterberg die Möglichkeit, eine medizinische Vorsorgemaßnahme für pflegende Angehörige im Beisein ihres an Demenz erkrankten Partners in Anspruch zu nehmen. Dieses Angebot möchten wir definitiv auch in anderen Einrichtungen etablieren und verwirklichen. Da sind wir als AW-Kur besonders stolz drauf.“