Else Drenseck - eine eindrucksvolle Lebensgeschichte

Else Drenseck

Else Drenseck in ihrer Zeit als AWO-Geschäftsführerin und Willi Grobe (damaliger Vorsitzender).

Heinz Drenseck über seine Mutter Else 

Wenn Heinz Drenseck heute an seine Mutter Else denkt, denkt er an eine liebevolle Mutter, an eine engagierte SPD-Politikerin, ein aktives AWO-Mitglied und vor allem an eine emanzipierte Frau.

„In der AWO setzte sie nicht nur zahlreiche Projekte um, sondern war auch stellvertretende Vorsitzende des Bezirks Westliches Westfalen und Mitglied des Bundesvorstandes“, erzählt Heinz Drenseck stolz über seine Mutter. Auch ihre Bekannte Marlies Osterloh hat Else Drenseck so kennen gelernt.

Sie erinnert sich noch genau an das erste von vielen Malen, dass Else sie beeindruckt hat. „Es war bei einer Mitgliederversammlung. Else hat dort ihre Ideen für ein neues Altersheim vorgestellt. Sie war so selbstbewusst und überzeugend. Ich war begeistert.“ Das 1972 eröffnete Seniorenzentrum wurde Else-Drenseck-Zentrum genannt. Das Besondere: Jeder Bewohner hatte einen eigenen Schlüssel und konnte so das Haus verlassen und betreten wie er wollte. Außerdem gab es die Möglichkeit, eigene Speisen im Kühlschrank unterzubringen. Freiheiten, die zu der Zeit nicht gerade üblich waren. Ideen, die von Else Drenseck stammen. 

Elses Engagement für die AWO und für die SPD zieht sich durch ihr gesamtes Leben. Zusammen mit ihrem späteren Ehemann Heinrich Drenseck gründete sie 1926 mit 15 Jahren die Sozialistische Arbeiter-Jugend-Gruppe Herne-Constantin. „Meine Mutter hat sich damals bei der Stadt dafür eingesetzt, dass die Gruppe in einer Einrichtung Räume nutzen konnte. Sie war schon in jungen Jahren immer aktiv dabei“, erzählt ihr Sohn Heinz Drenseck.

Das hat sich auch später nicht geändert. Bis ins hohe Alter war Else Drenseck für die Stadt Herne eine besondere Persönlichkeit. Vor allem, da sie im Jahr 1964 die erste Bürgermeisterin der Stadt wurde. Nicht nur in der AWO oder unter den Hernern wurde sie dafür respektiert, als Frau so weit gekommen zu sein. Auch der spätere Bundeskanzler Willy Brand war begeistert, als er 1969 zum Wahlkampf in die Stadt kam. „Er schüttelte ihr die Hand und sagte `Ihr seid aber fortschrittlich hier in Herne´, erinnert sich Heinz Drenseck.

Else sei der Zeit schon immer Jahre voraus gewesen. „Sie war damals schon so weit, wie das Frauenbild heute sein sollte“, findet Marlies Osterloh. Ihre Bekannte weiß noch genau: Else Drenseck war eine starke Frau. „Wenn es nötig war konnte sie auch mal richtig auf den Tisch hauen. Und sie strahlte eine solche Sicherheit und ein solches Selbstbewusstsein aus, dass kein Mann auf die Idee gekommen wäre zu versuchen sie zu übertrumpfen.“ 

Trotz ihres großen Engagements bei der AWO und ihrer Arbeit in der Politik, nahm sich Else immer Zeit für ihren Sohn. Heinz erinnert sich an seine Mutter als eine liebevolle Frau, die ihn früh lehrte eigenständig und aufgeschlossen zu sein. Ihr Mann Heinrich wurde sechs Tage vor der Geburt von Heinz im Jahr 1939 in den Wehrdienst eingezogen und starb 1947 in russischer Kriegsgefangenschaft. Deswegen musste Else ihren Sohn die meiste Zeit alleine aufziehen. „Ihr Schicksal als Kriegswitwe und als alleinerziehende Mutter machte sie nur umso stärker“, sagt Marlies Osterloh.

Heinz erinnert sich nur noch vage an Momente mit seinem Vater, der manchmal für wenige Tage vom Krieg heimkam. Umso besser erinnert er sich an prägende Momente mit Mutter Else. Trotz fehlenden Geldes versuchte Else, ihrem Sohn eine glückliche Kindheit zu bescheren. Heinz erzählt von einer Lieblingserinnerung: Besuche im Café Dinges. Ein Kaffee für Else. Einen Kakao für Heinz. Dazu noch ein paar Plätzchen. Mehr konnten sie sich nicht leisten.

„Natürlich war ich auch viel alleine Zuhause, wenn meine Mutter gearbeitet hat.“ Da hatte er aber auch immer ordentlich zu tun: Holz hacken und Kohlen besorgen waren nur ein paar seiner Aufgaben im Haushalt. Die Zeit mit seiner Mutter kam trotzdem nicht zu kurz. Ich mochte es immer, wenn wir zusammen den Abwasch gemacht haben. Sie hat gespült und ich habe immer abgetrocknet. Dabei konnten wir uns immer hervorragend unterhalten“, erzählt Heinz.  „Ihrem Sohn Wissen zu vermitteln war eine Priorität für Else“, sagt Marlies Osterloh. Wenn Heinz lernen musste, legten sie sich in Elses Bett, kuschelten sich unter eine große Decke und gingen den Lernstoff zusammen durch.

Die Volksschule, die Heinz besuchte, war auf dem gleichen Gelände wie das AWO-Zentrum, in dem seine Mutter gearbeitet hat. So konnte er nach Unterrichtsschluss oft in das Büro seiner Mutter. Else kochte dann schnell eine Suppe, während er an seinen Hausaufgaben arbeitete. Oft verteilten sie auch zusammen Flugblätter. Heinz übernahm dann eine Straßenseite, Else die andere. „Ich glaube diese frühen Erfahrungen mit der AWO und der SPD haben dazu geführt, dass ich auch jetzt noch dort tätig bin.“ Heinz Drenseck ist heute stellvertretender Vorsitzender des AWO-Unterbezirks Ruhr-Mitte. 

Auch die Zeit vor ihrem Tod verbrachte Else mit Heinz und seiner Familie. Zuerst wohnte sie bei ihm und seiner Frau Karin, doch nach und nach war die Pflege in der Familie nicht mehr möglich. Else zog in das Willi-Pohlmann-Seniorenzentrum der AWO, um dort ihre letzten Monate zu verbringen. Am 13. Dezember 1997 starb Else Drenseck, umgeben von ihren engsten Freunden und ihrer Familie. Sie hinterließ eine eindrucksvolle Lebensgeschichte. Die Geschichte einer Frau, die Hürden überwand. Die sich trotz ihrer Arbeit und ihres Engagements immer liebevoll um ihren Sohn kümmerte. Schon damals ein Vorbild für alle Frauen. Fortschrittlich und modern, früher wie heute.

Else und Heinz Drenseck

Die Biografie: Else Drenseck

Eine Sozialdemokratische Kindheit und Jugend

Else Emmerich wurde am 24. Dezember 1911 als Kind einer Bergarbeiterfamilie geboren. 

Der Großvater Peter ist aus Friedberg (Hessen) nach Hofstede (Bochum) zugewandert und war als der „rote Emmerich“ bereits unter dem Sozialistengesetz Sozialdemokrat. Die Großmutter Sophie putzte die Herz-Jesu-Kirche; bei der Familie Thiele war der spätere Dechant Franz Düwell „Kostgänger“. Die Thieles waren katholisch, die Emmerichs evangelisch. Die Großmutter Sophie wohnte zuletzt bei Peter und Pauline und wurde von ihnen gepflegt; es gab Anlässe zu Konflikten, aber auch zu praktischer Toleranz. Wegen eines Konfliktes mit Franz Düwell gab es keine kirchliche Trauung, Peter und Pauline verließen ihre Kirchen, Else wurde nicht getauft. Ihr Vater war Mitglied der SPD und der Bergarbeitergewerkschaft sowie des Arbeiter- und Soldatenrates, ihre Mutter war Mitglied der Freien Wohlfahrtsvereinigung (später Arbeiterwohlfahrt - AWO), nahm an Schulungen und an der Durchführung von Kinderfreizeiten teil. Großmutter Sophie nahm Else mit in die katholische Kirche, Vater Peter in die SPD-Versammlung.

Else besuchte bis zur Gründung der Weltlichen Schule die Evangelische Schule, sie war eine gute Schülerin. Sie hätte gern die Wohlfahrtsschule der AWO absolviert, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie ließen es nicht zu, ihr diesen Wunsch zu erfüllen, sodass sie 1926 eine Lehre beim Konsumverein Bochum antrat. Sie war gewerkschaftlich organisiert und zwar seit 1926 beim Zentralverband der Angestellten. Obwohl der Konsum nicht ihre erste Wahl war, schloss sie erfolgreich ihre Lehre ab und war eine engagierte Verkäuferin und Leiterin in mehreren Herner Läden des Konsumvereins „Wohlfahrt“ eGmbH Bochum. Ihre Erinnerungen aus dieser Zeit finden sich bei Jutta de Jong: Konsumverein Wohlfahrt (Bochum 1985) und Cornelia Objartel-Balliet: „Schick sie doch zum Konsum“ Erinnerungen von Else Drenseck, in: „Nichts ist so schön …“ (Essen 1991).

Seit April 1926 war sie Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend und zusammen mit ihrem späteren Ehemann Heinrich Drenseck Mitbegründerin der SAJ-Gruppe Herne-Constantin. Bis 1933 war sie dort die 2. Vorsitzende. Der Eintritt in die SPD im Januar 1928 war folgerichtig. In dieser Zeit ergaben sich prägende Bekanntschaften und (respektvolle) Freundschaften mit führenden Herner Sozialdemokraten, zum Beispiel Karl Hölkeskamp (Onkel Karl), Auguste Sindermann, Berta Schulz (MdR), Julius Benz, Heinrich Crämer, Jakob Hilge und für sie eindrucksvolle Begegnungen auf SPD-Veranstaltungen (z.B. mit Janette Wolf, Anna Siemsen) und Jugendtagen der SAJ.

Die Zeit der Arbeiterjugend und beim Konsumverein waren glückliche Jahre, obwohl die finanzielle Lage der Familie eher eng und bedrückend war. Man beackerte einen großen Garten, fütterte ein Schwein oder auch zwei und lebte sparsam.

Die SAJ traf sich mit 40 bis 50 Jugendlichen in einem einfachen Gebäude am Herner Bahnhof, im Zeichensaal der Schule Hermannstraße und später im früheren Armenhaus der Stadt am Sehrbruchskamp. Else musste vor dem Rat der Stadt den Antrag auf Bereitstellung des Armenhauses begründen. Die Konflikte innerhalb der politischen Linken gingen natürlich nicht an der SAJ in Herne vorüber, es wurde diskutiert und gestritten, einige traten aus und kamen auch wieder zurück (Robert Brauner war eine Zeit lang Mitglied der SAPD). Man war fast jedes Wochenende auf Wanderfahrt, befasste sich mit Reformpädagogik und Anthroposophie, lernte Esperanto, übte Theaterstücke und Sprechchöre ein, nahm an politischen Großveranstaltungen, Kongressen und Jugendtagen teil. Das Ende der Weimarer Republik war geprägt durch Aufmärsche und Demonstrationen des Reichsbanners und der Eisernen Front sowie durch Saalschlachten mit der SA, die SPD-Veranstaltungen, z.B. im Volkshaus (dem späteren Scala-Filmtheater), zu stören versuchte.

 

Else Drenseck – Nazi- und Kriegszeit

Mit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten zerbrach 1933 das soziale und sozialdemokratische Netz. Die SPD wurde mit ihrer Jugendorganisation und ihrer Presse verboten. Der Hauptausschuss der Arbeiterwohlfahrt wurde als „nützliches Glied“ in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront übernommen. Der sozialdemokratische Vorstand des Konsumvereins „Wohlfahrt“ wurde abgesetzt, das Vertriebsnetz verringert, sozialdemokratische Lagerhalter, Verteilungsstellen-Leiterinnen und Verkäuferinnen entlassen; auch Else Drenseck verlor ihre Stelle.

Vater Peter Emmerich war Ortsvereinskassierer der SPD in  Herne-Constantin, er packte die Mitgliederlisten, Kassenbücher, Beitragsmarken und Kassenbestände zusammen. Else bat vermeintlich politisch indifferente Nachbarn um Verwahrung, „bis der Spuk vorüber” sei. Leider kam der Sohn der Nachbarn wenige Tage später in SA-Uniform die Treppe herunter: „Ach Karl, wie hast Du Dich verändert”; „Die Zeiten haben sich geändert, Else”. Dennoch wurde das Paket nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes unbeschädigt zurückgegeben. Lediglich die große Fahnenstange musste statt der SPD-Fahne, die Hakenkreuzfahne ertragen. Wenn Sozialdemokraten oder Kommunisten aus Constantin von der SA nach Bochum-Gerthe geschleppt wurden, hat Else versucht, die Männer aus den Schläger-Kammern herauszubetteln.

Wie viele andere zogen sich Else und Heinrich Drenseck in ein privates Umfeld zurück, sie heirateten am 3. Oktober 1933 und fanden in Herne-Sodingen, Max-Wiethoff-Straße 3, eine Wohnung. Sie pflegten alte Freundschaften und Bekanntschaften. Heinrich arbeitete als Schlosser bei der Herner Herdfabrik und bei der Firma Flottmann.

Der Schwiegervater Friedrich Drenseck hat 1935 den „Führer” beleidigt („Judas hat Jesus verraten, Hitler das deutsche Volk“). Er musste für etwa ein Jahr ins Gefängnis. Wegen einer Krankheit wurde er auf Drängen des Betriebsrates der Zeche Constantin entlassen, musste seinen Wohnsitz aber außerhalb des Gaues Westfalen in Ostpreußen nehmen. Im März 1936 sind die Schwiegereltern mit Willi (dem jüngsten der vier Söhne) nach Gehsen (Kreis Johannisburg, Reg. Bez. Allenstein) umgezogen. Walter ist von Else und Heinrich aufgenommen worden, Fritz hat seine Ausbildung und berufliche Tätigkeit in Lippe gefunden.

Am 15. Mai 1939 wurde der Ehemann Heinrich zum Wehrdienst eingezogen. Der Sohn Heinrich Peter (Heinz) Drenseck wurde am 21. Mai 1939 in der Bochumer Landesfrauenklinik geboren. Der Ehemann musste bis zum Ende des Krieges (unterbrochen durch wenige kurze Heimaturlaube) in Infanterie- und Grenadiereinheiten, überwiegend an der französischen und belgischen Kanal- und Atlantikküste sowie in Schlesien, Dienst leisten. Während eines dreiwöchigen Einsatzes an der Ostfront erlitt er Anfang 1943 erhebliche Erfrierungen an den Händen und Füßen, jeweils zwei Finger und Zehen mussten amputiert werden. Trotz der schlechten körperlichen Verfassung und obwohl seine militärischen Leistungen als „knapp ausreichend. Keine soldatischen Anlagen” beurteilt wurden, musste er weiter Soldat sein.

Von Dezember 1941 bis März 1945 sind ca. 380 lange Briefe erhalten, die von liebevoller Fürsorge, Besorgnis und Sehnsucht, aber auch von Kritik und Wut gegenüber dem Naziregime, von Sorge über die Zukunft Deutschlands, von Respekt und Mitleid gegenüber der französischen und polnischen Bevölkerung geprägt sind.

Mitte 1943 sind Else und Sohn Heinz wegen der zunehmenden Bombardierungen nach Papenhausen (heute zu Bad Salzuflen, Kreis Lippe) in zwei Zimmer auf einem Bauernhof umgezogen. Zeitweise hatte Else die Frau und einen Sohn ihres Bruders Hubert Emmerich aufgenommen. Seit Mitte 1944 hat sie die Schwiegereltern gedrängt, von Ostpreußen nach Lippe zu kommen. Der Schwiegervater meinte Ende 1944/Anfang 1945 die Rote Armee käme für ihn als Befreier. Ein folgenschwerer Irrtum: Beide sind in Sibirien umgekommen.

Am 18. September 1944 ist die Tochter Else Drenseck geboren. Das Kind war eine Frühgeburt von 6 ½ Monaten und wog weniger als 1,5 kg; es hatte keine Chance und starb am 19. September 1944.

Der Ehemann geriet auf dem Wege von den Beskiden in die Slowakei in russische Kriegsgefangenschaft und verstarb dort am 14. April 1947. Else hielt die Nachricht über seinen Tod für unsicher und ließ ihn erst am 25. August 1958 beurkunden.

Else Drenseck drängte es nach Kriegsende so schnell wie möglich nach Herne zurück. In der Wohnung der Familie ihres früheren SAJ-Genossen Karl Schwertfeger (Herne, Wiescherstraße 139) erhielt sie zwei Zimmer.

 

Else Drenseck – Arbeiterwohlfahrt

Nach dem Zusammenbruch mangelte es an allem. Die Ernährung und Unterbringung der verbliebenen Wohnbevölkerung, der zurückkehrenden Evakuierten, der Flüchtlinge und Vertriebenen, die Gesundheitsfürsorge, der Aufbau kommunaler Einrichtungen und Dienste, der Werkstätten, Fabriken und Zechen, die Entwicklung demokratischer Strukturen in der Verwaltung und Politik waren herausragende Aufgaben.

Else Drenseck konnte sich ihrem früheren Berufswunsch entsprechend engagieren, als Sozialarbeiterin, Sozialpolitikerin, mitfühlendes und hilfsbereites Organisationstalent.

Bereits im Juli 1945 hat sie zusammen mit Karl Hölkeskamp und Auguste Sindermann den Ortsausschuss Herne der Arbeiterwohlfahrt gegründet. Die Arbeiterwohlfahrt war in Herne bis zur Zulassung politischer Parteien die organisatorische Basis für die Gründung der SPD, die am 2.Januar 1946 von der Militärregierung genehmigt wurde. Ebenfalls mit Genehmigung der Militärregierung fand die erste große SPD-Versammlung mit etwa 1000 Teilnehmern am 13. Januar 1946 statt. Am 27. Januar 1946 wählte die Stadtverbands-Generalversammlung der SPD Heinrich Crämer, Josef Pillmann und Erich Schönewolf zum Vorstand der SPD, die zu diesem Zeitpunkt bereits 1400 Mitglieder hatte.

Else Drenseck baute 1945/46 die ersten beiden Kindererholungsheime im AWO-Bezirk Westliches Westfalen auf und leitete diese ehrenamtlich. Das Kinderheim Königstein in einer Ausflugsgaststätte in Hattingen (Foto) und das Kinderheim am Hedtberg in Bochum-Dahlhausen, einem Freizeitheim das von der „frei organisierten Arbeiterschaft“ (SPD, AWO, SAJ u. a.) in den Jahren 1925 – 1929 errichtet worden war. Die Kinder blieben 4 – 6 Wochen und nahmen durchschnittlich 4 bis 5 Pfund zu.

Ein Schwerpunkt der Arbeit war die Verteilung von Lebensmittelhilfen sowie von Spenden der Schweizer Hilfe, des Britischen Roten Kreuzes und der CARE-Organisation an Not leidende Menschen, besonders an Tbc-Kranke (Foto). In den Nähstuben wurden aus Stoffresten und Textilspenden Kleidungsstücke aber auch Puppen und andere Spielsachen genäht und gebastelt.

Bis März 1947 hatten DGB, SPD, AWO und Falken ihre Räume im Hause Schulstraße 28. Als die Räume zu klein wurden, zogen SPD, AWO und Falken in die Bahnhofstraße 16 um. Dort gab es die Möglichkeit, die Kapazität der Suppenküche von 30 auf 120 Essen pro Tag zu erhöhen. Elses Aufgabe war, für die paar Lebensmittelmarken, die die bedürftigen Menschen abgeben konnten, etwas zum Kochen zu besorgen. 1947 konnten 17.845 Portionen Essen ausgegeben werden, außerdem wurden 1.166 Familien und 3.461 Einzelpersonen in anderer Weise betreut und unterstützt. Die AWO hatte zu dieser Zeit in Herne rund 2000 Mitglieder und 3000 freiwillige Helfer. Herne galt wegen der verhältnismäßig geringen Zerstörungen als „Goldene Stadt“, hier fanden Deutschland-Konferenzen der SPD, der Falken und Gewerkschaften statt, die zum Teil auch von der AWO bekocht wurden. 

1947 wurde Else Drenseck in den Vorstand der Unterbezirks Bochum (bestehend aus den Städten Bochum, Herne, Wanne-Eickel, Wattenscheid, Witten) gewählt, dem sie bis zu dessen Auflösung angehörte. 1950 wählte sie der Kreisverband Herne als Nachfolgerin von Auguste Sindermann zur ehrenamtlichen Geschäftsführerin, dieses Amt übte sie bis zur Wahl des hauptamtlichen Geschäftsführers Fritz Benthaus aus. Ihr erster Rechenschaftsbericht stand unter der Überschrift „Vielfältige Hilfe in vielfältiger Not“ (Westfälische Rundschau 1.2.1951): Zahlreiche Familien erhielten Lebensmittel oder Bekleidung, Kranke wurden besucht und beschenkt, zu Weihnachten wurden 300 Familien mit nützlichen Geschenken bedacht, Kinderwanderungen, Kinderfeste, Erholungsfürsorge für Kinder (u. a. Hedtberg), Mütter und Mütter mit Kindern, in der Jugendfürsorge stellte die AWO verantwortungsvolle ehrenamtliche Jugendschutzaufsichtshelfer, Vormunde, Pfleger, Abwesenheits- und Unterhaltspfleger.

Ihre erste große Weihnachtsfeier hatte die Herner AWO nach 17 Jahren am 22. Dezember 1949 mit 400 alten zum großen Teil allein stehenden Menschen in der Westfalenschänke; bettlägerige Menschen wurden von ehrenamtlichen Helferinnen besucht und beschenkt (28.000 Jahre unter dem Weihnachtsbaum, Westfälische Rundschau 23.12.1949). Die Tradition konnte bis über das Jahr 2011 hinaus im Kulturzentrum erhalten werden.

Auf Initiative von Else Drenseck richtete der Kreisverband Herne 1951 seine erste Altenbegegnungsstätte ein, die wie alle späteren Begegnungsstätten ehrenamtlich betreut wurden. 

Nach zwei weiteren Umzügen in angemietete Räume (zunächst in das alte Amtsgericht Bahnhofstraße 7c dann in das alte Finanzamt  Mont-Cenis-Straße 10) wurde es Ende der 1950er Jahre immer dringlicher, eigene zweckmäßige Räumlichkeiten zu schaffen. Gebraucht wurden Räume für die Jugendarbeit, eine große Begegnungsstätte, Büroräume und ein großer Veranstaltungsraum. Nachdem ein passendes innenstadtnahes Grundstück gefunden war, wurde 1961 der erste Spatenstich getan und am 9. Mai 1964 das „Karl-Hölkeskamp-Haus“ an der Breddestraße 14 eröffnet.

Von 1964 bis 1982 war Else Drenseck Mitglied des AWO-Bezirksvorstandes Westliches-Westfalen
(seit 1973 stellvertretende Vorsitzende), Mitglied des AWO-Bundesvorstandes war sie von 1965 bis 1974, anschließend von 1974 bis 1978 war sie Mitglied im AWO-Bundesausschuss.

Mit ganz besonderem Engagement betrieb sie die Errichtung einer Altenwohnstätte in Herne-Börnig (heute „Else-Drenseck-Seniorenzentrum“). Ihr Konzept von 1970 setzte sich das Ziel: „Wenigstens im Alter soll es keine sozialen Unterschiede mehr geben.“ Sie stellte den Anspruch, eine für die damalige Zeit modellhafte Einrichtung mit 38 Altenwohnungen, 110 Einzelappartements im Altenwohnheim und 45 Zimmer im Pflegetrakt zu bauen (WAZ 3.6.1971). 

Mitte 1973 wurden in Herne-Hosthausen die ersten drei AWO-Hausaufgabenkreise gebildet, um insbesondere auch Kindern ausländischer Arbeitnehmer eine zusätzliche sprachliche Förderung sowie Spiel und Sport am Nachmittag anzubieten. Die Hilfe und Betreuung für Migranten entwickelte sich überhaupt zu einem Schwerpunkt der AWO in Herne.

Im Bezirksvorstand lag ihr besonders die Entwicklung der Senioren-Einrichtungen sowie die Kur- und Erholungsheime, im Bundesvorstand der Aufbau des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) am Herzen. Mit vielen Mitgliedern der Vorstandsgremien pflegte sie bis zuletzt freundschaftliche Beziehungen, so auch zu der früheren Bundesvorsitzenden Lotte Lemke.

Solidarität, Mitmenschlichkeit, politische Wachsamkeit, unermüdliche Hilfsbereitschaft, Mütterlichkeit, Aufgeschlossenheit und Mut beschreiben in erzählten Episoden und Anekdoten sowie in veröffentlichten Würdigungen ihre Persönlichkeit, z. B. zum 60. und 80. Geburtstag (Westfälische Rundschau 24./26.12.1971, WAZ 27.12.1991).

In Würdigung ihrer Verdienste für die Arbeiterwohlfahrt wurde ihr am 30. Oktober 1979 die Marie-Juchacz-Plakette, die höchste Auszeichnung der AWO, verliehen.

 

Else Drenseck – Kommunalpolitik

Für Else Drenseck bildeten die Sozialdemokratie und die Arbeiterwohlfahrt eine sich ergänzende Einheit. Die Werte Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit fand sie in beiden Bewegungen. Die AWO verstand sich immer als einen Mitgliederverband, der für eine sozial gerechte Gesellschaft kämpft und politisch Einfluss nimmt, der diese Ziele mit ehrenamtlichem Engagement und professionellen Dienstleistungen verfolgt, aber keine Almosen organisiert sondern Rechtsansprüche für Benachteiligte und Bedürftige Menschen erringt. Sie sagte immer: „Wir sind doch nicht ein Königin-Luise-Verein“, um ihren Standpunkt deutlich zu machen. Es war für sie folgerichtig, sich den Bürgern ihrer Stadt und der Kommunalpolitik verpflichtet zu fühlen.

Bereits 1946 war sie Mitglied des ersten demokratisch gewählten Rates der Stadt Herne, sie blieb es bis zum Inkrafttreten der Gesetze zur kommunalen Neugliederung am 1. Januar 1975. Die Städte Herne und Wanne-Eickel hatten sich zusammengeschlossen und wurden bis zur Neuwahl von dem Beauftragten für Angelegenheiten des Rates Robert Brauner, dem Beirat des Ratsbeauftragten und dem Beauftragten der Verwaltung Alfred Hufeld geführt. Else Drenseck (Bürgermeisterin seit 1964), Erich Schönewolf (langjähriger Fraktionsvorsitzender) und andere Kommunalpolitiker machten Platz für neue Mitglieder im neuen Rat der Stadt Herne.

Else fand ihre Aufgaben zuerst und hauptsächlich im Sozialausschuss (vorher Wohlfahrtsausschuss) und im Jugendausschuss. 1947 waren 22 % der Schulanfänger und 27 % der Schulabgänger unterernährt, wie bei der AWO bemühte sie sich um Kindererholungsmöglichkeiten im Schloss Strünkede und in Stapelage. Sie bemühte sich um Hilfen für Flüchtlinge und Vertriebene (1947 = 6.751, 1950 = 11.949 Personen) sowie um die Auflösung von Massenquartieren in Schulen und Gaststätten. Noch viele Jahre hat sie in Grußworten auf Heimattreffen deren Leistungen zur Eingliederung gewürdigt und an sie appelliert, die neue Heimat anzunehmen.

Ein großes Ereignis für sie war die Teilnahme an dem 1. Städtekongress, dem Gründungskongress des Deutschen Städtetages am 20. Mai 1948 in der Frankfurter Paulskirche. Stark beeindruckt war sie von einer intensiven Begegnung mit Louise Schroeder (Bürgermeisterin von Berlin), deren Tatkraft und Mut sie bewunderte. In der zerbombten Stadt Frankfurt am Main gab es nicht genügend Betten in Hotels und Pensionen, Else übernachtete in der Familie eines Arbeiters der Stadtverwaltung. Zu den Tagungsunterlagen gehörten einige Lebensmittelmarken, die die Gastgeber dankbar angenommen haben.

Im Laufe der Jahre übernahm sie zusätzliche Ämter und Verantwortung im SPD-Kreisvorstand, im Vorstand der SPD-Ratsfraktion sowie in Ausschüssen des Rates (u. a. im Haupt- und Finanzausschuss) in Gremien der Sparkasse und der städtischen Unternehmen.

Herne war nie eine reiche Stadt, man musste Prioritäten setzen, wenn man voran- kommen wollte, aber man musste sich auch Wünschenswertes versagen, wenn man ein seriöses und finanzierbares kommunalpolitisches Konzept durchsetzen wollte. Schon sehr früh haben der SPD-Fraktionsvorstand und Oberstadtdirektor Edwin Ostendorf (1953 – 1974) jeweils für eine Wahlperiode Kommunalpolitische Programme und Mittelfristige Finanzplanungen erarbeitet; diese hatten aber nur einen Sinn, wenn die Politik zuverlässig und kraftvoll zu den Zielen stand.

Else Drenseck war eine Stütze des kommunalpolitischen Gesamtkonzeptes, aber weiter die Sozialpolitikerin der SPD-Fraktion, auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Rat war sie von 1979 bis 1984 Bürgerschaftsvertreterin im Sozial- und Gesundheitsausschuss. Für sie traf es sich gut, dass Edwin Ostendorf in den Gremien des Deutschen Städtetages und des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge seine Hauptinteressengebiete im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe sowie der Schulpolitik sah.

Else war stets der Überzeugung, dass Kommunalpolitik nicht „kleine Lokalpolitik“ sei, sondern dass sie entscheidend für die konkrete Lebensqualität der Menschen ist, dass sie die Bedürfnisse der Bürger zielgenau trifft, dass hier demokratisches Bewusstsein, bürgerschaftliche Mitverantwortung und Gerechtigkeit verwirklicht werden. „Nur die Reichen können sich arme Städte und Gemeinden leisten“.

Der Rat der Stadt Herne hat Else Drenseck am 12. Oktober 1964 zur Bürgermeisterin der Stadt gewählt. Sie war in der Geschichte der Stadt die erste Frau, der dieses Amt übertragen wurde; sie hatte es bis zur kommunalen Neugliederung 1974 inne.

In ihrem Nachlass sind zahlreiche handschriftliche Konzepte zu Reden auf Parteitagen, in Ortsvereinen, vor dem Rat der Stadt, später richtete sie Ansprachen und Grußworte an Gäste der Stadt, besonders gerne an Schüler und Jugendliche der Herner Partnerstädte, an Vereine, Unternehmungen, Heimattreffen, Ausstellungseröffnungen. Bei jeder Gelegenheiten brachte sie ihre Grundwerte ein: Frieden, Solidarität, Toleranz, Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit.

In ihren Reden und Rechenschaftsberichten ist sie stolz auf das Erreichte, begründet aus ihren Werten die Notwendigkeit weiterer Projekte und zeigt die politischen Widerstände auf:

Z.B. erinnert sie 1959 daran, wie richtig es war, auch gegen den Widerstand der CDU die Erziehungsberatungsstelle einzurichten. Kinder und Eltern seien nicht schlechter, Zeit und Umstände seien anders und schwieriger, bisherige Grundbegriffe der Erziehung erschüttert. Fachliche Hilfe sei notwendig, um den Familien rechtzeitig zu helfen, ohne dass ihnen zusätzliche Kosten entstehen. Sie weist darauf hin, dass die CDU im kommenden Wahlkampf die SPD wegen der Einrichtung eines Heilpädagogischen Kinderheims in Esborn angreifen werde. Die Kinder seien normal begabt, aber verhaltensgestört; es sei erstaunlich, dass sie sich bereits nach einigen Wochen frei und gelöst bewegen und gute Leistungen bringen. Es sei klar, dass so eine Einrichtung Geld kostet (20 DM/Tag), aber selbst wenn nur einem Teil der Kinder geholfen werden könne, seien die Kosten nicht zu hoch, sie seien geringer als spätere Kosten für die Gesellschaft, „hinzu kommt noch das Leid und die Not der Eltern und Kinder, mit ihnen zu fühlen und zu helfen ist uns Verpflichtung“. 

Empathie war ihr kategorischer Imperativ – er machte sie in Herne zur „Mutter Else“

Else Drenseck hatte 1958 die Begründung einer Resolution des Rates gegen den Beschluss der Mehrheit des Bundestages zur Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen übernommen. Das Risiko eines Atomkrieges wird mit der Verbreitung der Waffen größer, auch das „Gleichgewicht des Schreckens“ und die Chance auf Abrüstung könne nur aufrecht erhalten werden, wenn das Gleichgewicht der Giganten USA und Sowjetunion nicht gestört würde.

Besonders engagiert ist sie anlässlich eines Besuches von Erhard Eppler zur Eröffnung einer Entwicklungshilfe-Ausstellung am 30. August 1969 aufgetreten. Viele Prinzipien, die heute von NGOs und Eine-Welt-Politikern aufgezeigt werden, sind angesprochen: Solidarität, die Liebe unter den Völkern, als Voraussetzung für Frieden und Sicherheit, Ebenbürtigkeit der Menschen und Völker, Chancen für Kinder und Frauen, Starthilfen als Hilfe zur Selbsthilfe. „Die Freien Organisationen oder einzelne Nationen sind allein nicht in der Lage, die große Kluft zwischen den reichen und den armen Menschen zu schließen, alle Menschen und alle Nationen müssen sich in Solidarität aufraffen, die Kluft zu schließen. Der Krieg in Vietnam, die unmenschliche Auseinandersetzung in Biafra und Süd-Amerika sind warnende Signale“.

Bei allen „offiziellen“ Anlässen traf sie Freunde und manchmal musste man den Eindruck haben, sie sei mit fast allen Hernern bekannt (zumindest mit deren Bekannten bekannt), sie war gern unter Menschen und hatte mit ihnen Freude und Spaß. Wenn ein Skatturnier zu eröffnen war, spielte sie mit und brachte manchen „Profi“ in Verlegenheit. Für ihre Verdienste um die Stadt Herne ist ihr bereits 1960 der Ehrenring der Stadt verliehen worden.

Else Drenseck lebte mit der Familie ihres Sohnes Heinz, ihrer Schwiegertochter Karin und ihren Enkelkindern Silke und Frauke in einem Haus in Herne. Sie war ihren Kindern und Enkeln eine fürsorgliche und hilfsbereite Mutter und Großmutter. Als die Pflege in der Familie nicht mehr möglich war, zog sie in das Willi-Pohlmann-Seniorenzentrum der AWO. Nach einem Unfall, von dem sie sich nicht mehr richtig erholen konnte, starb sie, von der Familie und Freundinnen gut begleitet, am 13. Dezember 1997.

Autoren
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen
AWO Bundesverband